Die österreichische Firma Ingelen brachte 1936 ein ganz besonderes Radio auf den Markt. Den GEOGRAPHIC. Der Name deutet es schon an: Beherrschendes Element war rechts eine runde Skalen/Landkarten-Kombination.
Drehte man am Senderabstimmknopf im Mittelwellen- und Langwellenbereich, dann passierten gleichzeitig zwei Dinge:
1) Am runden Rand der Skala wanderte, in Abhängigkeit von der Wellenlänge auf unterschiedlichen Teilskalen, eine Leuchtmarke.
2) Gleichzeitig blinkten auf dem Landkartenteil kleine helle Ortsmarkierungen passend zum am Rand eingestellten Radiosender auf.
Der Radiohörer konnte so gut erkennen, von wo ein eingestelltes Radioprogramm gesendet wurde. Aus heutiger verwöhnter Multimedia-Sicht vielleicht harmlos, damals sicher eine Sensation!
--> rechts: Ingelen Geographic 39W.
Um 1936 fand der Rundfunk hauptsächlich auf Mittelwelle (die meisten Sender) und auf Langwelle, aber auch auf Kurzwelle statt. UKW-Rundfunk gab es noch nicht. Diese damaligen Wellenbereiche hatten insbesondere auch in der Nacht eine große Reichweite. So konnte man in der Dunkelheit auf MW durchaus Stationen aus 1000 km oder mehr Entfernung hören. Dabei unterschieden sich LW, MW, KW etwas (mehr zu den Ausbreitungsbedingungen hier).
Der Ingelen Geographic war alsbald ein beliebtes (wenn auch nicht preiswertes) Radio, dass in den Folgejahren in Varianten auf den Markt kam. Übrigens sollen Geographic-Modelle auch von VEF, Riga in Lizenz gebaut worden sein.
Gleichzeitig spiegelten die Modelle auch deutlich die damalige politische Situation wieder. Zum Einen wurde Österreich 1938 dem "Deutschen Reich" angeschlossen (Österreich verschwand), zum Anderen zeigten die Rundskalen bei den letzten Modellen den damaligen politischen Willen: Die Ukraine und die UDSSR wurden bei den Ortsbezeichnungen weggelassen.
Schon vor 1936 gab es von der Ingelen Geographic-Serie eine Art Vormodell: Cosmos.
Es scheint innerhalb der Modell-Serien leichte Bestückungs-Varianten gegeben zu haben. Auch war die Modellbezeichnungs-Systematik ein wenig unübersichtlich. So könnte es Modelle mit Modellnamen mit und ohne vorangestelltem "Geographic" gegeben zu haben, sowie Modelle nur mit "US" beginnend und Modell nur mit Nummern (z.B. "439B"). Es kursieren sich widersprechende Schaltbilder!
Mir ist sonst keine Modellserie bekannt, wo es aus heutiger Sicht soviel Unklarheiten gibt. Angefangen von vielleicht falsch gezeichneten Schaltbildern, über falsch zugeordnete Modellnamen (weglassen oder zufügen von Modellnamen-Bestandteilen) bis zu Widersprüchen bei Ingelen selbst reichen die Möglichkeiten.
Und nicht zuletzt gibt es völlig unterschiedliche Modelle z.B. vom US537W: Geographic US537W (Landkartenradio) und US537W (mit und ohne Schalltüren, kein Landkartenradio).
Deshalb hier der ausdrückliche Hinweis: Alle Angaben ohne Gewähr! Seien Sie nicht überrascht, wenn Ihr Landkartenmodell nicht in die folgende Auflistung passt. Fast bin ich mir sicher, ebenfalls mit Ursache für die eine oder andere Fehleinschätzung zu sein, na schauen wir mal...
Rechts: Skala und Rückseite des Ingelen Geographic 39W. -->
Es wurden wohl folgende Landkarten-Modelle herausgebracht:
* = WG müsste eigentlich auf Wechselstrom / Gleichstrom = Allstrom verweisen. Die Röhrenbestückungen widersprechen dem. Was kann also WG sonst bedeuten? G = Glimmanzeige?
Wer mit zur weiteren Klarheit beitragen kann, bitte unten das Feedback-Formular nutzen, danke.
->
Technisch waren die Geräte im Bereich der Skalen recht aufwendig konstruiert. Am Skalenrand gab es drei Rund-Teilskalen und zwar von innen nach aussen: MW (mit Stationsnamen), LW (mit Stationsnamen), KW (ohne Sationsnamen). Beim Bandwechsel änderte sich auch die Leuchtmarkenlage auf den Skalen. Da es damals noch keine Leuchtdioden gab, nutzte man dünne gebogene Glasstäbe als Lichtleiter (im Grunde für jeden Orte einzeln gebogene), um Licht zu den kleinen Ortsmarkierungen zu führen. Handarbeit vom Feinsten!
<-- links: GlaslichtleiterScheibe. Foto von "friedrich-kutnik" aus dem Wumpus-Gollum-Forum.
Ein nahezu brillantes Konzept. Ein Nachteil soll aber nicht verschwiegen werden: Auf Änderungen von Sendefrequenzen, Wegfall von Stationen oder Neu-Stationen konnte der Radiohörer nicht reagieren.
Die Skalen wurden über die Jahre unterschiedlich gestaltet. Waren es zuerst farbige Skalen, die die Ländernamen in der dazu gehörenden Landesprache zeigten, so zeigten die Landesnamen bei den letzten Modellen nur deutschsprachige Bezeichnungen.
Skalen-Details am Beispiel des Ingelen Geographic 39W (Variante mit fehlenden russischen / ukrainischen Sendern):
121 MW-Sendernamen. 95 Orte MW leuchtend. 16 LW-Sendernamen. 15 Orte LW leuchtend. 2 Orte ("blind" in Belgien und Frankreich). Dabei leuchten bei einigen Sendenamen zugleich mehre Orte auf, z.B. 263,2 m Triest / Turin / Genua.
Die Leuchtmarken sind auf MW in gelb, auf Langwelle in rot.
Wer kann zu den anderen Modellen entsprechende Angaben (wie im Vor-Absatz aufgeführt) machen?
Im Wumpus-Online-Museum werden diese Geographic-Modelle gezeigt:
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Skala des Ingelen Geographic 39W
(Die Stationsnamen-Marken unterscheiden sich in unschraffiert / schraffiert.
Damit wurden wohl Sender mit Primärfrequenzanspruch (unschraffiert) erkennbar gemacht.)
Skala eines Geographic von 1936.
(Die Stationsnamen-Marken unterscheiden sich in unschraffiert / schraffiert.
Damit wurden wohl Sender mit Primärfrequenzanspruch (unschraffiert) erkennbar gemacht.)
(Foto: Daniel28-55-59 aus dem Wumpus-Gollum-Forum)
Eine typische Werbung für den Ingelen Geographic 39
Sehr gefallen hat mir der Begriff "Geographische Stationsmeldung":
Ein Begriff aus der Werbewelt in deutscher Sprache,
heute würde das (auch in einer deutschsprachigen Werbung vielleicht eher
"full automatic iluminated display of broadcast stations" genannt werden?
Danke für weitere Informationen an Nutzer des Wumpus-Gollum-Forums:
Daniel28-55-59, WoHo, Apollo, Walterh.
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10.01.2017 / 30.01.2017
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