Im Grunde genommen gab es schon seit Einführung des Rundfunks "Piratensender". Damit werden im Allgemeinen Sender bezeichnet, die nicht legal (den Gesetzen des entsprechenden Landes folgend) betrieben werden. In eigentlich allen Ländern mussten und müssen Rundfunksender eine Lizenz des Staates haben. (Das gilt so aber nicht mehr für heutige "Internet-Sender".)
Es gab schon bald Privatpersonen (auch Hobby-Funker), die u.U. sich auch aus Kreisen von Funkamateuren rekrutierten und selbst Programme senden wollten. Die Grenzen der Leute in den frühen Rundfunkjahren vom Hobbyfunker zum Schwarzfunker waren fließend.
Motivationen waren breit gestreut. Von rein technischer Freude am Funken, über den Wunsch eigene Programme musikalisch oder (eher seltener) politisch zu gestalten, über den Wunsch Widerstand gegen politische Systeme zu leisten, hin zu gewerblichen Interessen mit Sendungen, die eben werbefinanziert waren, geht hier die Palette.
Der Unterschied zwischen Schwarzfunker und Piratensender? Schwarzfunker sind mutiger, sie senden zumeist als Einzelpersonen von Land aus, also aus ihrem Wohnumfeld und sind somit viel leichter peilbar und den gesetzlichen Folgen unterworfen. Piratensender versuchen das rechtliche Risiko zu umgehen, in dem sie auf Sendestandorte ausweichen, wo nationales Recht nicht oder nur über Umwege zur Geltung kommen kann. Piratensender waren oft keine Projekte von Einzelpersonen.
Die gesetzlichen Restriktionen waren in den Ländern unterschiedlich, Deutschland legte eher strenge Maßstäbe an. Allerdings gab es in Deutschland doch immer wieder Piratensender , insbesondere hat die Region Ostfriesland hier im Bereich Schwarzsender eine gewisse Berühmtheit erlangt (... mehr dazu auch bei Wikipedia(externer Link)).
Piraten- und Schwarzsender-Betreiber wurden teilweise mit Strafverfolgung bedroht. Es wurden von den Behörden wiederholt Versuche unternommen, gegen die Piratensender vorzugehen. Solange sich die Schiffe in internationalen Gewässern aufhielten, waren sie geschützt, anders beispielsweise bei notwendigen Reparaturmaßnahmen in Häfen. Einige Staaten erließen Gesetze, um Personen, die auf diesen Schiffen Dienst taten, zur Verantwortung ziehen zu können. Das richtete sich auch gegen Personen und Firmen, die Werbung schalteten.
Der eigentliche Begriff "Piratensender" bildete sich in den sechziger Jahren aus und meinte damit hautsächlich Musiksender mit flotten Sprüchen und Jingles und Werbung. Dabei wurde auch die Jugendkultur in den Fokus gelegt, aber nicht nur. Viele legale Rundfunksender brachten damals ein hauptsächlich am Durchschnittsgeschmack orientiertes Mainstream-Musikangebot. Rock- und Beat-Musik galt in diesen Jahren noch als unseriös. Ledigleich der RTL hielt hier dagegen. In diese Lücke stießen die Piratensender. Andererseits wurden bald auch mehr massentaugliche Musikinhalte verbreitet, um so besser durch Werbung finanzieren zu können.
Legenden wurden bald Piratensender, wie "Radio Caroline", "Radio Veronica" und viele andere mehr. Diese Sender wurden oft von speziell ausgerüsteten Schiffen oder sonstigen Plattformen in der See im internationalen See-Bereich der Nordsee vor England oder vor den Niederlanden oder vor skandinavischen Küsten aus betrieben. Gesendet wurde auf Mittelwelle oder Kurzwelle, teilweise auch auf UKW.
Die Reichweite war recht unterschiedlich. Je nach Tageszeit und Jahreszeit konnten sogar Teile von Europa bestrahlt werden. Die technische Qualität und Standsicherheit war unterschiedlich. Die Schiffe waren nicht immer gut seegängig oder im schlechten Zustand. Auch das Legen an eine Ankerkette auf hoher See brachte Probleme (Schiffe ohne Eigenfahrt werden instabil und drehen sich u.u. immer um die Kette herum). Masten bis an die 100 Meter Höhe führten zu instabiler Lage der Schiffe bei Seegang. Das starke auskränken hoher Maste steigerte die Probleme der Abspannseilführung. Blitzeinschläge auch nicht ganz ungefährlich.
Einige Piratensender hatten Büros in England und den Niederlanden.
Einige Piratensender versendeten auch sogenannte QSL-Karten für eingesandte Hörberichte (siehe oben rechts "Radio Nordsee International"). Es galt für viele Jugendliche als besonders angesagt, Piratensender zu hören.
Die hohe Zeit dieser Sender waren die (fünziger Jahre mit z.B. Radio Mercur vor Dänemark) und sechziger und siebziger Jahren, aber es gibt bis heute solche Stationen. Als Beispiele sei REM-eiland um 1964 vor der niederländischen Küste als "Bohrinsel" genannt und um 1965 Radio Caroline ebenfalls dort. Um 1974 wurde allerdings mit dem Anti-Seesendergesetz die Luft dünner für Piratensender. Es gab aber auch nur vermeintliche Piratensender, wie z.B. den "Deutschen Freiheitssender 904", der vorgab von der Bundesrepublik aus zu senden, tatsächlich aber von Burg bei Magdeburg in der DDR aus aktiv war.
Hier einige Stationsnamen solcher Piratensender aus verschiedenen Gebieten (nicht abschließend):
Es hat weltweit über 100 Piratensender gegeben.
Heute gelten z.B. die Niederlande als sehr liberal, wenn es um die Duldung von Piratensendern geht. Insbesondere auf UKW und auf Mittelwelle kann man in und um die Niederlande herum nicht selten Piratensender hören. Es hat sogar eine Legalisierung für beantragte Hobby-Kleinsender mit bis zu 100 Watt Sendeleistung gegeben. Die Tagesreichweite ist sehr gering (einige bis einige dutzend Kilometer), aber nachts kann es durchaus deutlich weiter reichen.
In Berlin waren die Piratensender unterschiedlich gut zu hören, zumeist eher schlecht, als gut. Bewohner des westlichen Teils von Deutschlands hatten es da leichter. Auch die Stromgeneratoren lieferten nicht immer ein brummfreies Signal. Trotzdem: Man erlangte nicht selten Kenntnis von Musik, die man bis dahin noch nie gehört hatte. Es gibt im Internet Seiten, die Mitschnitte von Piratensendungen anbieten.
Allerdings gab es in Berlin auch immer wieder Piratensender auf UKW, die zum Teil eher politische Motivationen hatten. Diese Sender wurden aber konsequent verfolgt und immer wieder "zur Strecke" gebracht. Gesendet wurde oft aus PKWs mit ständig wechselnden Standorten. So ist mir ein Fall bekannt, wo aus einem Camping-VW-Bus mit oben aufgesetzter Plastik-Schlafkabine über Kreuzdipol mit 200 Watt gesendet wurde, auch beim Fahren. Die Sendefrequenzen lagen zwischen 100 und 108 MHz.
Es konnte auch hin und wieder in den späten achtziger Jahren ein Piratensender kurzzeitig aus dem Umland von Berlin auf UKW gehört werden, der sich gegen die Regierung der DDR richtete. Meine privaten Peilungen wiesen auf den Bereich nahe des nördlichen Berliner Stadtrands hin.
Aktuell ist eine Art Piratensender (Stand 2022/2023) in Europa auf 5140 kHz (Kurzwelle) als "Charleston-Radio" aktiv, der Tag und Nacht Charleston-Musik abspielt und vorgibt in Berlin zu sein. Das stimmt aber nicht, vielmehr kann von einem Sendeort knapp südlich von Deutschland ausgegangen werden. Insbesondere Nachts ist der Sender in größeren Teilen von Europa gut zu hören.
... ähnliche Themen: Geheim-Sender
Beim SWR2 gab es am 07.05.2023 in der Rundfunksendung "Matinee" gegen 11:45 Uhr einen Beitrag zum Thema Piratensender, wo auch der Betreiber dieser WEB-Site hier auch zu Wort kam. ... zum Stream ...
10.05.2015 / 07.05.2023 |
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