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Ein Wochenende auf der Insel

 

Off Topic. Passt  fast garnicht zum Thema alte Radios.........



E I N   W O C H E N E N D E     A U F    D E R    I N S E L

 

Eine keineswegs simple Kurzgeschichte in sechs Kapiteln von Rainer Steinführ. Nach und nach verschieben sich die Realitäten.

 

Autor: Rainer Steinführ 1986, Feldstr. 9, 13585, Berlin (Überarbeitet 8- 2001, 10- 2010, 4-2011).

 

Vorwort. Natürlich spiegelt die im Jahr 1986 von mir geschriebene Kurzgeschichte ganz am Rande die damals noch  frischen Ereignisse um den Atomkraftwerk-Unfall in Chernobyl und die nicht ungefährliche geopolitische Lage in der Klammer des „Kalten Kriegs“ zumindest indirekt wieder. Aus heutiger Sicht (2010) schon in gewissen Sinn etwas befremdlich. Aber in diesen „Zwängen“ und mit diesen Sorgen lebten wir damals. Es ist auch zu bedenken, daß West-Berlin zu dieser Zeit noch von der Bundesrepublik und der damaligen DDR räumlich abgegrenzt war . West-Berlin selbst war eben auch eine „Insel“. Diese Geschichte beschreibt eine gedankliche Flucht von dieser Insel auf eine imaginäre Insel. Viel Spaß beim Lesen, Sie werden sich noch wundern.


Nachtrag April 2011: Chernobyl hat leider einen ebenso gefährlichen Nachfolger bekommen: Fukushima, Japan.


Kapitel 1 . Freitag nachmittag

 

M. saß im Auto. Er gab Gas und bremste, gab wieder Gas, bremste wieder. Das Auto stand mehr als es fuhr. Der Feierabendverkehr auf der Berliner Stadtautobahn war der Grund dafür. 17:15 Uhr. Mechanisch, ohne bei der Sache zu sein, lenkte M. den Audi 80 im Schritt-Tempo fahrend, aus Steglitz kommend, nach Norden. M. überlegte, ob er dieses Wochenende wieder auf der Insel verbringen wollte. Einerseits war es lästig, bis nach Tegel auf der Stadtautobahn dahin zu schleichen, um dann noch vielleicht 30 Minuten auf die Fähre zu warten. Andererseits war er nun schon einige Wochen nicht mehr auf der Insel gewesen.

 

M. war sich wirklich unschlüssig. Es war ja doch so, daß man sich auf den Insel-Aufenthalt irgendwie innerlich einstellen mußte. Bei den ersten Wochenenden hatte er den Eindruck gehabt, daß nach der Rückkehr ein kleines Stück von ihm fehlen würde. Noch heute bemerkte er deutlich den gewissen inneren Widerstand.

 

Eine aufdringliche Auto-Hupe hinter ihm in der linken Spur, auf der Höhe des Autobahnkreuzes Funkturm, riß M. aus seinen Überlegungen. Er hatte nicht zügig genug, wie es sein Hintermann in einem gestylten Mercedes erwartete, eine vor ihm entstandene Lücke sofort aufgefüllt. M. versuchte sich auf den Verkehr zu konzentrieren. Ohne Freude beobachtete er den "Krieg" der anderen einsamen Autofahrer um sich herum. Verbissene Gesichter, kommentierten in ihren fahrenden Festungen jede Unachtsamkeit beim Verkehrsfeind. Besonders gestreßte Fahrer machten von einer eindeutigen Zeichensprache Gebrauch. Der übliche Kampf um einige Meter, die man dem Gegner abtrotzte, war im vollen Gang.

 

Bald ließ seine Konzentration wieder nach. Er sah das Schild "Abzweig Tegel" vor sich. Wenn er doch noch auf die Insel wollte, hätte er eigentlich hier abbiegen müssen. Was war los mit ihm? Das Wochenende auf der Insel stellte doch nun wirklich eine Abwechslung dar. Hatte er einfach Angst? Lockte die Bequemlichkeit des bekannten, überschaubaren Vertrödelns der nächsten zwei Tage in der Wohnung?

 

M. gab sich einen Ruck. Er wußte genau, irgendwie würde er heute doch auf der Insel landen. Entschlossen fuhr er in den Autobahntunnel, statt vorher nach Wedding abzubiegen. Nun war es entschieden. Auf nach Tegel! M. fühlte sich gleich wohler. Er verließ die Autobahn am nächsten Abzweig und fädelte sich in den Stadtverkehr ein. Es war jetzt 17:45 Uhr. Er hatte etwas Zeit und brauchte nicht hetzen. Die Fähre fuhr zwar um 18:00 Uhr ab, aber er hatte nur noch 5 Minuten zu fahren.

 

M. umfuhr den Kern des Tegeler Zentrums. In einer Nebenstraße parkte er den Wagen. Langsam schlenderte er zur Uferpromenade. Hier lagen während der Sommermonate die Fahrgastschiffe, die Tausende von Berlinern auf den Gewässern der Havelseen herumfuhren. Er konnte im Augenblick vier Schiffe an den Anlegebrücken sehen. Ein Dampfer fuhr gerade ab. M. ging weiter bis zum Ende der Uferpromenade. Hier lag die Fähre zur Insel. Es war jetzt 17:55 Uhr. Die Fähre mit dem Namen "Tegel" lag noch vertäut am Steg. Es waren keine Leute an Bord zu sehen. Auch am Fahrkartenschalter war niemand.

 

M. hatte eigentlich damit gerechnet, daß doch einige Fahrgäste mit der Abendfähre hinüber fahren würden. Bisher waren in der Regel immer ein paar Gäste dabei gewesen. Er klingelte am Fahrkartenschalter. Es dauerte einen Augenblick und dann kam ein ca. fünfzigjähriger Mann aus dem Fährhaus, das etwas abseits in der Parkanlage der Uferpromenade lag. Die Uhr zeigt genau 18:00 Uhr.

 

Der Mann öffnete den Schalter und sagte: " Wir haben heute eigentlich nicht mehr mit Fahrgästen gerechnet. Es hat sich auch niemand angemeldet. Sie werden dann heute Abend der einzige Fahrgast sein. Die Fahrt kostet drei Mark, wie immer." M. schwieg. Er gab dem Mann das Geld. Der Mann sagte dann: "Es dauert noch einen Augenblick. Ich fahre Sie selbst hinüber." Er ging zum Fährschiff hinunter und verschwand im Fahrstand. Die Fähre erwachte zum Leben. Der Schiffsdiesel sprang an. M. wartete, bis der Mann ihm winkte.

 

Nun ging er auf den Steg und über einen kleinen Laufsteg auf das Schiff. "Sehen Sie, da kommt doch noch jemand", meinte der Fährmann und zeigte zum Ufer, wo am Fahrkartenschalter gerade eine ca. dreißig jährige Frau mit einem kleinen Reisekoffer in der rechten Hand auftauchte. "Na, da muß ich noch einmal raus. Es geht gleich los. Nehmen Sie doch auf dem Vorschiff Platz. Der Fahrtwind wird Ihnen gut tun." Damit verschwand der Fährmann wieder an Land. M. wunderte sich, warum ihm der Fahrtwind gut tun sollte, so warm war es doch nicht, obwohl heute der 10. August war. Sah er irgendwie krank aus? Ach was, der Fährmann hatte nur so eine Redensart gebraucht.

 

Nach einigen Minuten kam der Fährmann mit der Frau an Bord. Er hörte, wie der Fährmann den gleichen Spruch auch der Frau zukommen ließ. Die Frau erschien auch auf dem Vorschiff und sagte, nachdem sie sich ihm gegenüber hingesetzt hatte: "Entschuldigung. Es tut mir leid, daß Sie warten mußten. Ich wollte diese Woche erst gar nicht hinüberfahren." M. kannte die Frau noch nicht von den bisherigen Überfahrten. Er hatte sie auch auf der Insel noch nicht gesehen. Er wunderte sich, daß sie sich entschuldigte und auch, daß sie eigentlich gar nicht fahren wollte. Weshalb hat sie den Koffer bei sich?

 

Es war doch nicht gestattet, irgendwelche Dinge mit auf die Insel zu bringen. Er betrachtete die Frau kurz. Sie sah etwas müde aus. Sie hatte braune Haare. Er schätzte ihre Größe auf ca. 1,75 Meter. Sie trug Jeans und ein weißes T-Shirt. Er stellte routinemäßig fest, daß sie deutlich ein weiblicher Mensch war. Er ertappte sich bei dem Gedanken, zu überlegen, was sie auf der Insel verloren hatte, noch dazu mit dem Koffer. Der Aufenthalt auf der Insel war ausdrücklich nur an den Wochenenden erlaubt.

 

M. antwortete - während der Fährmann gerade die Leinen löste und laut die Schiffs-Hupe bediente - "Guten Abend, sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ob wir nun fünf Minuten früher oder später ankommen, ist doch egal. Waren Sie schon öfters auf der Insel? Übrigens, ich wollte auch eigentlich dieses Wochenende nicht fahren." Die Frau sah M. kurz an und antwortete nach einer kurzen Pause, "Ja sehen Sie, es fällt mir jedesmal schwerer, mich zu überwinden.

 

Aber dieses Mal ist es ja etwas anderes. Ich habe bemerkt, daß Sie den Koffer so anstarren. Ich darf ihn mitbringen. Ich kann eine Weile auf der Insel bleiben. Schön, nicht? Jetzt, wo es soweit ist, freue ich mich doch." Damit hatte M. überhaupt nicht gerechnet. Eine Weile auf der Insel bleiben! Das ist doch unmöglich. Na hoffentlich bildet sie sich da nichts ein, dachte er.

 

Ihr Gespräch wurde durch das Ablege-Manöver des Fährschiffes unterbrochen. Das Schiff fuhr mit lauter werdendem Dieselgeräusch rückwärts aus der Anlegestelle heraus, wendete dann und nahm voraus Fahrt auf. Links und rechts wurden Rudermietboote und Segelschiffe überholt. M. stellte fest, daß ihn der Fahrtwind erfrischte. Das Schiff wurde schneller. Der Fährmann steuerte auf die Lücke zwischen dem Festland und einer kleinen vorgelagerten Insel des Tegeler Sees zu. Es waren kaum Wellen zu sehen.

 

In der Mitte des Sees waren im Wasser zwei Fontänen zu sehen. Sie dienten zur Sauerstoffanreicherung des durch Schadstoffe stark belasteten Gewässers. Vom Grund strömte aus einer Rohrleitung Luft in das Seewasser. Das Fährschiff überholte noch kurz vor der Enge einen Ausflugsdampfer. M. fiel auf, daß die Fähre jetzt doch sehr schnell fuhr.

 

Übergangslos sagte M. zu seiner Mitfahrerin, "Vielleicht sehen wir uns später drüben." Die Frau nahm den Gedanken sofort folgerichtig auf. "Ja, klar, wir brauchen es ja nur zu wollen, nicht war? Übrigens, ich heiße Silvia. Silvia Lanke." M. nannte seinen Namen. Er mußte ihr Recht geben, wenn sie sich sehen wollten, genügte tatsächlich schon der Wunsch.

 

Die Frau stand auf und trat an die Reling. Sie blickte über den See. M. konnte nicht anders, als einen verstohlenen Blick auf ihre Figur zu werfen. Sie schaute sich blitzschnell um und bemerkte natürlich seinen prüfenden Blick. Sie tat so, als wenn sie nichts bemerkt hätte. M. mußte innerlich schmunzeln. Ja, es war immer wieder der gleiche Trick. Leider war es für den Wunsch, Silvia Lanke auf der Insel wiederzusehen, noch zu früh.

 

Das Schiff fuhr jetzt schon eine halbe Stunde. Es waren kaum noch Boote zu sehen. Die Ufer lagen weit zurück. Sehr entfernt war ein Lastkahn zu sehen, der in Richtung Norden fuhr. M. wußte, hinter der nächsten Uferbiegung würde die Insel auftauchen. Allerdings würde auch diesmal wieder eine Dunstschicht die direkte Sicht verhindern. Die Insel war nie vom Tegeler See aus zu sehen.

 

 

see-nebel.jpg

 

Nach ein paar Minuten war es dann soweit. Das Fährschiff verlangsamte seine Fahrt. Dreimal ließ der Fährmann die Schiffshupe ertönen. Das Schiff stoppte. Jetzt verdeckten Dunstschwaden die Sicht auf den Tegeler See. So war es immer, auch bei klarem Wetter verbarg sich die Insel vor direkter Sicht. Gleichzeitig konnte man den See und die Insel nicht erkennen. Die Insel war noch ca. 250 Meter entfernt. Im Dunst konnte M. schon die Kastanienbäume am Ufer sehen und dahinter den West-Turm der Burgmauer. Das Schiff wiegte sich leicht im Wasser. Der Fährmann wartete auf das Lichtzeichen vom Ufer.

 

Vorher durfte er sich nicht der Insel nähren. Gleißend hell leuchtete das starke Licht vom West-Turm dreimal auf. Das Fährschiff "Tegel" nahm wieder langsam Fahrt auf und stoppte bald darauf an dem einzigen Landungssteg. "Nun schnell an Land mit Ihnen. Sie wissen ja, ich darf nicht festmachen. Beeilen Sie sich!", rief ihnen der Fährmann zu. M. sprang als erster an Land und ließ sich von der Frau den Koffer reichen. Er wollte auch ihr helfen. Aber sie sprang schnell und sicher an Land. Kaum waren sie auf dem Steg, begann das Fährschiff rückwärts von der Insel wegzufahren.

 

Die Frau und M. gingen über den Steg zum Ufer. Nun konnten sie die Insel teilweise übersehen. Links und rechts waren am Ufer Kastanienbäume zu sehen, die sich bis in die Ferne erstreckten. Vor ihnen ragte der West-Turm auf. Neben dem Turm war ein großes Tor zu erkennen, das durch eine Zugbrücke verschlossen war. Beide wußten, was zu tun war. Langsam gingen sie auf das Tor zu. Sie mußten über einen kleinen Hügel steigen, hinter dem dann der Burggraben zum Vorschein kam. Der Graben war nur mäßig mit Wasser gefüllt. Das Wasser der Havel, die ja die Seen im Norden von Berlin speiste, stand im August bekanntlich nicht sehr hoch. Ein mit groben Steinen gepflasterter Weg führte direkt zu der Stelle, wo die Zugbrücke das Ufer des Burggrabens traf. Die Brücke war noch immer hochgezogen. Rechts, vor dem Graben, befand sich eine Glocke, die M. für eine ausgediente Schiffsglocke hielt.

 

Die Frau sagte zu ihm: "Läuten sie bitte, ich erschrecke mich jedesmal." M. griff die unten heraushängende Schnur und zog kräftig an der Glocke. Er wußte, daß sie nun eine Weile warten mußten. Er schlug vor, sich in der Zwischenzeit auf die Bank im Hintergrund zu setzen. Beide gingen hinüber zur Bank und setzten sich hin. Sie hatten von hier einen guten Überblick auf die Oberhavel und den See. Von der Insel aus war der Dunst nie zu bemerken. Weit hinten fuhr das Fährschiff nach Tegel zurück.

 

Sie saßen und schwiegen eine Weile. Dann fragte M. "Haben sie sich diesmal schon etwas konkretes vorgenommen oder lassen sie sich vom Zufall treiben?" Sie überlegte und meinte dann, "Ich weiß ganz genau, was ich erleben will." M. wollte weiter fragen, aber die Zugbrücke begann sich laut knarrend und rasselnd zu senken. So sagte er nur, "Na, dann wollen wir mal." Sie standen auf und gingen auf die Brücke zu.

 

Kapitel 2 . Freitag abend

 

Nachdem M. und die Frau die Zugbrücke überschritten hatten, traten sie in das Halbdunkel des Burgmauerdurchganges. M. wollte als erster an die Pförtnerloge treten um sich anzumelden, aber der Pförtner kam ihm zuvor: "Frau Lanke, Sie können gleich durchgehen. Melden Sie sich bitte nur gleich beim Sekretariat, Sie erhalten dann auch die Unterlagen." Die Frau verabschiedete sich von M. und ging mit ihrem Koffer weiter in den Tunnel hinein. Der Pförtner wandte sich nun M. zu, während die Zugbrücke quietschend hochgezogen wurde: "Wollen Sie wie üblich untergebracht werden?". M. brauchte nicht zu überlegen. Er wollte diesmal nicht im Hauptgebäude der Burg wohnen, obwohl der Ausblick auf die schneebedeckten Berge dort vom Zimmerfenster recht reizvoll war.

 

Er antwortete deshalb, "nein danke, wenn es geht, möchte ich auf einem Motorboot mit Bug- und Heckkabine, am besten ein Stahlboot, wohnen. Schön wäre es, wenn das Boot am See hinter dem Wald liegen würde. Geht das so zu machen?". Der Pförtner blicke ihn uninteressiert an und sagte: "Gehen Sie bitte, wenn Sie in den Park hinaustreten, den rotmarkierten Weg entlang. Vergessen Sie das Arbeitsmaterial nicht. Ich wünsche einen angenehmen Aufenthalt. Bis Sonntagabend dann." M. dankte und ging in den Tunnel.

 

Der Tunnel stieg in einer Kurve etwas an. M. schätzte die Länge des Tunnels auf ca. 50 Meter. Die Luft war angenehm kühl. An der Wand beleuchteten einige Gaslaternen den Weg. An zwei Stellen konnte er die Abwehranlagen des Burgzutrittes erkennen. Diese oben in die Decke des Tunnels eingelassenen Luken dienten wohl früher zur Abwehr von Eindringlingen. M. kam am Ende des Tunnels an. Eine geteilte große, alte Eichenholztür versperrte den Weg. An der linken Wand leuchtete im Halbdunkel eine kleine rote Anzeige. Er las: Nennen Sie Ihren Namen! Er tippte auf einer Tastatur seinen Namen und die Code-Nummer ein. Sofort schwenkte der rechte Flügel der Tür auf und M. konnte hinaustreten.

 

Etwas neugierig blickte M. um sich. Der große Park, der fast ausschließlich mit alten Platanen bestanden war, strahlte eine fast körperlich spürbare Ruhe aus. Eine absolute Stille herrschte. Einige Fasanen und Pfauen bewegten sich langsam auf der ausgedehnten Wiese. Nun sah M. auch weit hinten einige Leute. Es würde also nicht zu einsam werden, wenn er mit anderen sprechen wollte an diesem Wochenende.

 

Mißbilligend bemerkte er, daß die Menschen dort tatsächlich damit beschäftigt waren auf dem Rasen Vorbereitungen für eine Gartenparty zu treffen. Ein Speise- und Getränketisch war schon aufgebaut. Lampions leuchteten an verschiedenen Stellen. Als er nähergekommen war, konnte er aus einer Stereoanlage die notwendigen Geräusche hören, die am späteren Abend für das gegenseitige Näherkommen zu sorgen hatten. Es war jedesmal die gleiche Beobachtung. Es gab eine unentwegte Gruppe von Gästen, deren Wünsche durch eine Party und den Partyfolgen erfüllbar waren.

 

Da hätten sie auch in Berlin bleiben können. Jetzt allerdings kümmerte er sich nicht um die anderen Gäste, die wohl schon mit der 15:00 Uhr-Fähre gekommen sein mußten. Vielleicht waren das auch Dauergäste, wie seine Mitfahrerin? Er verdrängte erst einmal diesen Gedanken und suchte den roten Wegweiser. Er fand ihn auch, nachdem er einige Minuten auf den Waldrand zugegangen war. Der für ihn bestimmte Weg führte nach rechts direkt in den Platanenwald. M. blickte sich um. Er konnte das Hauptgebäude sehen.

 

Es sah ja tatsächlich ein wenig wie ein Märchenschloß aus. Er wunderte sich kaum, daß er nicht das Bergpanorama der Zugspitze von hier sehen konnte, denn er blickte ja nicht aus dem Zimmer im ersten Stock des Haupthauses. Weiter rechts im Park stand ein kleineres Gebäude, die Verwaltung.

 

M. wandte sich wieder um und ging den Weg in den Wald weiter. M. wußte nicht, wie lange er gehen mußte. Es war ihm aber auch egal. Er hatte ja nun Zeit. So schlenderte er durch den Wald. Langsam wurde das Unterholz rechts und links neben ihm dichter. Es roch förmlich nach Wald. Er dachte an den Geruch von Pilzen und bemerkte sofort, nach einigen Metern, links am Wegrand, einige Pilze. Er blickte genauer hin und sah, daß es Steinpilze waren.

 

Er ging weiter und entdeckte nun auch auf der anderen Seite viele kleine und große Steinpilze. Jetzt spürte er auch den würzigen Pilz-Duft. M. wunderte sich, daß es im August hier so viele Steinpilze gab. Dann fiel es ihm aber wieder ein. Ach ja, es müßte hier eigentlich lieber Pfifferlinge geben. Diesen Gedanken hatte er bewußt formuliert. Er ging nun beschwingt weiter.

 

Der Wald wechselte seinen Charakter. Es gab hier jetzt mehr Buchen und Eichen als Platanen. Auf dem Waldboden waren Teppiche von Pfifferlingen zu sehen und zu riechen. Er bückte sich und pflückte ein Pfund Pilze ab. Er mußte die Pilze in den Händen tragen. Es begann langsam zu dämmern. M. wünschte sich, bald am Ziel zu sein. Er sah durch das Unterholz, daß in einiger Entfernung eindeutig Wasser schimmerte. Er kam näher. Der Wald trat zurück. M. befand sich am Ufer eines Sees, der fast eine Kreisform hatte und ringsherum von Wald umstanden war. Er blickte sich um und sah in einiger Entfernung ein weißes Motorboot am Ufer schimmern.

 

Das Top-Licht brannte. Das Boot war ca. 12 Meter lang und hatte eine tiefliegende Heckkabine, dann einen großen Mittelaufbau mit Kommandostand und schließlich die Vorderkabine. M. ging einen schmalen Weg am Ufer entlang auf das Boot zu. Als er unmittelbar davor stand, bemerkte er, daß das Boot keinen Namen hatte. Er ging über eine Planke an Bord. Hier war niemand. M. legte die Pilze auf den kleinen Tisch in der Kombüse, dann warf er die Planke an Land und holte die Leinen ein. Nun ging M. zum Kommandostand, orientierte sich kurz. Er startete den Dieselmotor und fuhr in einer leichten Kurve etwas vom Ufer weg.

 

M. wollte sich zuerst einen Überblick verschaffen. Deshalb fuhr er mit dem Boot langsam am Ufer des Sees entlang. Er blickte in das Wasser. Das Wasser war kristallklar. Er konnte in zwei bis drei Meter Tiefe den Grund des Sees erkennen. Dieser Anblick war für M. fast erschreckend. Klares Wasser! Am Grund Wasserpflanzen und zum Teil große Steine. Ja, das war ein richtiger See. Er blickte wieder auf. Fast überall war das Ufer mit Schilf bewachsen.

 

Er bemängelte die Kreisform des Sees, die er als langweilig empfand. Deshalb war er nicht erstaunt, als er entdeckte, daß der See größer war, als er beim ersten Rundblick angenommen hatte und auch lagunenartige Einbuchtungen waren jetzt zu sehen. Auf der rechten Seite tauchte eine Untiefe auf. Dichter Schilfbestand war dort zu erkennen.

 

Einige Weiden standen im seichten Wasser. Es wurde langsam dunkel. M. setzte die Bug- und Heckbeleuchtung, das Top-Licht brannte ja schon. Er fuhr in eine der Lagunen durch eine Enge ein, in der er eine gegenläufige Strömung bemerkte. Das Boot befand sich jetzt in einem fast abgeschlossenen See. M. hoffte noch die Mündung eines Flusses zu entdecken. Er fuhr deshalb direkt auf das nicht mehr weite Ufer zu.

 

Hier entdeckte er tatsächlich nach einigem Suchen einen Zufluß zum See, der wohl auch die Strömung verursacht hatte. Dieser Fluß war eindeutig schiffbar. Allerdings verlor sich sein Verlauf in der sich nun ausbreitenden Dunkelheit. M. entschloß sich, etwas von der Flußmündung entfernt, zu ankern, um hier die Nacht zu verbringen.

 

M. stoppte das Boot, ließ den Anker mit der elektrischen Winde herab und fuhr das Schiff etwas zurück, um den Anker festzusetzen. Er stellte den Motor ab und ließ nur noch das Nachtlicht brennen. M. ging an Deck und blickte sich um. Es war jetzt richtig dunkel. Am Himmel waren nur wenige Wolken zu sehen. Deshalb gelang es M. auch ohne Probleme am schwarzen Himmel das große Band der Milchstraße zu sehen. Dieser Anblick der vielen Sterne, die sich in einem langgestreckten Band über den gesamten Himmel erstreckten, beeindruckte M. stark. In Berlin war eine solche Aussicht in den achtziger Jahren leider unmöglich geworden.

 

Der Anblick dieses Sternenteppichs, der kalt aber nicht unversöhnlich über ihm einfach vorhanden war, ließ den Alltag von M. endgültig abfallen. Die Vergangenheit und Zukunft verschwand. Er nahm sich einen Liegestuhl aus der Heckkabine und stellte ihn an Deck auf. Später holte er in  der Bugkabine  ein Bier aus dem Kühlschrank und briet schnell mit etwas Öl und Zwiebeln die Pfifferlinge. Mit dem Bier und den gebratenen Pilzen ging er an Deck. M. setzte sich in den Stuhl, lehnte sich zurück. Mit großer Ruhe trank und aß er.

 

Der Anblick des Sternenhimmels füllte ihn langsam auf. Es war jetzt völlig windstill. Keine Wolke war mehr am Himmel. M. spürte, wie der schwarze Himmel irgendwo in ihm Reserven auftankte. Er konzentrierte sich auf einzelne Objekte am Himmel. Die Sternbilder der Kindheit wurden wieder sichtbar. Der große Wagen, der markanteste Punkt des Nordhimmels, grüßte als alter Bekannter und Begleiter herunter. Wie war das noch. M. kramte in seinen Erinnerungen. Die verlängerte Heckseite des Himmelswagens zeigte immer zum Polarstern. Sofort fand er den Stern. Dort war also Norden. Nun war die Orientierung am Nachthimmel leicht. Die Sternbilder des Sommerhimmels waren deutlich zu erkennen.

 

Der hellste Fixstern, der um diese Sommernachtszeit vom Himmel leuchtete, Wega im Sternbild Leier, war gut und hell leuchtend auszumachen. M. wußte nun, daß er bald Sternschnuppen sehen würde, der Monat August brachte bekanntlich mehrere Schauer. Es war für M. ein merkwürdiges Gefühl, im Voraus das Eintreffen dieser kurzen Lichtspuren zu wissen.

 

Verlor dadurch das Erlebnis nicht seinen Reiz? Die Betrachtungen von M. wurden abgelenkt, als er die Mondsichel entdeckte, die nicht allzu hoch am Himmel stand. Am fernen Ufer, unter dem Mond sah er einige Lichter. Dort war also ein Ort oder sogar eine kleine Stadt. Nun, das hatte Zeit bis morgen. Morgen würde er den Fluß und den Ort erkunden.

 

M. wendete sich wieder der Betrachtung des Nachthimmels zu. Der Blick auf die Sterne machte ihm wieder klar, daß er in die nahe und weite Vergangenheit des Weltalls blickte. Das ausgesandte Licht der Sterne war ja, wenn er es sah, schon seit Jahren, Jahrtausenden und Jahrhunderttausenden unterwegs. Wie viele der Sterne, die er sah, existierten schon längst nicht mehr. Er sah das Licht von Sternen, die eben dieses Licht abstrahlten, als auf der Erde die ersten Lebewesen sich anschickten, das Wasser zu verlassen um sich das Land zu erobern.

 

Die Milchstraße, die sich über ihm ausbreitete, zu der alle Sterne gehörten, die er sah und die eigentlich für einen Menschen unermeßlich groß war, konnte im Weltall nur einen nicht bemerkbaren Punkt darstellen. 100 000 Lichtjahre war die Heimatgalaxie groß, ca. 100 Milliarden Sonnen rotierten mit der Heimatsonne zusammen um das Zentrum der Milchstraße. M. verlor sich in dem Gedanken, zu ergründen, wieviel 10 000 oder 100 000 andere Sonnen einigen Planeten eine Heimat gaben, auf denen auch Leben anzutreffen war, vielleicht in einer völlig anderen Form. Natürlich lebten da irgendwo jetzt intelligente Wesen. Nie würden wir und sie mit uns Kontakt aufnehmen können.

 

Wie konnte es sein, daß wir Menschen einfach vergaßen, daß hinter der dünnen Gasschicht unserer Erde unübersehbar weit, die Leere mit ein paar Sternen, Planeten, Monden, Galaxien und Gaswolken, ausbreitete. Wir Menschen rasten mit hoher Geschwindigkeit mit unserer Sonne und unseren Nachbarplaneten und Monden auf Mutter Erde durch den Weltraum. 50 Kilometer über uns, herrschten Temperaturen um -170 Grad Celsius. Wir sitzen in einem KLEINEN Raumschiff und vergessen es. M. gab sich einen Ruck und versuchte im Sternenhimmel wieder nur eine unzureichende Nachtbeleuchtung zu sehen.

 

Als die Lichtspur einer Sternschnuppe in Sekundenbruchteilen über den Himmel zog, dann noch eine und kurz darauf gleich zwei, wußte M., daß er sich ein Hauch zu viel gewünscht hatte. Er würde hiermit mehr haushalten müssen. Zur Bestätigung brannte sich kurz eine Leuchtspur in den Nachthimmel. Ein besonders großer Meteorit war in Sekunden verglüht. M. widerstand der Versuchung, auf dem Schiff ein Teleskop zu finden.

 

Er würde sich sonst die ganze Nacht mit der Sternbeobachtung beschäftigen, schließlich war ihm nur zu gut bekannt, daß in den Nächten um den 11 August der jährliche Perseiden-Meteoriten-Schauer zu beobachten war. Er stand auf, ging in die Bugkabine. Hier machte er Licht. Die Duschkabine lockte ihn. Er duschte ausführlich, nur mit klarem Seewasser. Für ein zweites Bier war es ihm zu spät.

 

Er war müde. So ging er zur Heckkabine. Hier waren vier geräumige Kojen. Er nahm sich eine direkt am Heckfenster. Er konnte draußen die Lichter des Ortes sehen, die um die Zeit aber schon mit geringerer Zahl leuchteten. Vom dort vermuteten Ort selber war nichts zu sehen. Dazu war es trotz des Mondlichtes zu dunkel. Allerdings war die Kontur der Ortschaft schwach zu ahnen. Es sah irgendwie einer Spielzeugstadt oder sehr alten Stadt ähnlich. Die jetzt sehr wenigen Lichter flackerten alle leicht. M. glaubte jetzt deutlich Kirchenglocken zu hören.

 

Zeitversetzt begann eine zweite Kirche und dann noch eine dritte Kirche die volle Stunde zu schlagen. Er blickte auf seine Armbanduhr. Na, besonders genau gingen die Kirchenuhren dort ja nicht. 8 Minuten schlugen sie zu spät 23 Uhr. Das alles hatte aber wirklich Zeit bis morgen. Das Boot drehte sich leicht. Die Siedlung verschwand aus dem Blickfeld.

 

Das Boot bewegte sich nur leicht hin und her. Trotzdem konnte M. nicht einschlafen. Es war einfach zu ruhig. M. dachte, daß ein leichter Regen nicht schaden könnte. Während er so da lag, begann es ganz leicht zu regnen. Die Tropfen schlugen zart auf die eiserne Bootshaut. Es war ein schönes Gefühl für M. im Trockenen und gleichzeitig im Regen zu liegen. Er wußte, der Wochenendaufenthalt auf der Insel hatte nur ein wirkliches Problem.

 

Einschlafen war nicht einfach. Es durfte ihm dabei nicht passieren, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Eine angedachte Situation konnte nur zu schnell reale Formen annehmen. Aber der Regen half ihm. Es dauerte nicht lange. M. schlief ein. Was M. in der ersten Inselnacht träumte, soll hier nicht berichtet werden.

 

Kapitel 3 . Samstag vormittag

 

M. wachte nach Wunsch um 5:30 Uhr morgens auf. Wieder konnte er aus der Koje durch das Heckfenster direkt auf den See blicken. Die Sonne war aufgegangen, hatte aber noch nicht die Kraft, den See vollkommen vom Frühdunst zu befreien. M. öffnete das Fenster und blieb noch eine Weile liegen.

 

Als er der Meinung war, langsam munter geworden zu sein, stand er auf und ging an Deck. Das Wasser war spiegelglatt. Durch den Regen in der Nacht war die Luft frisch. Er entdeckte die Badeleiter am Heck des Bootes. M. entschloß sich zu einem kurzen Bad im See. Er stieg die Leiter herunter. Er stieg von der kleinen Plattform direkt am Wasserspiegel in das Wasser hinab. Das Wasser empfing ihn kühl und angenehm.

 

Er schwamm langsam um das Boot herum. Er mußte sich gestern getäuscht haben, denn er konnte am Bug des Bootes deutlich den Schiffsnamen "Sorcerer" lesen. Er wagte sich etwas vom Boot weg. Aus dem Dunst schwamm ein Entenpärchen auf ihn zu. Die Tiere hatten anscheinend keine Angst vor ihm. M. verhielt sich still und ließ sich auf dem Rücken liegend treiben.

 

Als die beiden Enten unmittelbar vor ihm angekommen waren, sahen sie ihn nur still an. M. schaute nur mit dem Kopf aus dem Wasser. So blicken sie sich einige Zeit gegenseitig an. M. fand, daß die Tiere sehr schön in ihrem See aussahen. Sie waren nicht unfreundlich. Deshalb wagte er es, vorsichtig die Hand auszustrecken.

 

Ganz leicht streichelte M. der einen Ente über die Brustfedern. Das Tier zuckte etwas, ließ sich aber dann doch die Berührung gefallen. Nach einem Augenblick lösten sich beide Enten von ihm und schwammen weiter, ohne jede Eile. Auch M. schwamm zum Boot zurück. M. versuchte sich an die Weichheit der Vogelfedern zu erinnern. Er gab sich einen Ruck und stieg auf die Badeplattform.

 

Nachdem M. wieder an Bord war, sah er jetzt das Ufer besser. Der Dunst hatte sich fast vollständig aufgelöst. Am Ufer, ungefähr in drei Kilometer Entfernung, konnte er eine kleine Stadt erkennen. Die Stadt schien eine Stadtmauer zu haben. Um sicher zu gehen, holte M. vom Kommandostand das Fernglas. Er blickte hinüber zur Stadt. Tatsächlich, das sah verdächtig wie eine mittelalterliche Kleinstadt aus. Er konnte eine komplette Stadtmauer erkennen und sechs Wehrtürme. drei Kirchtürme ragten in den Himmel. Es war ihm, als ob auf den Mauern Wachen zu sehen waren. Auch vor dem einen Tor konnte er Pferdefuhrwerke sehen, die in die Stadt hinein oder heraus wollten. M. empfand das Gesehene hochinteressant.

 

Er beabsichtigte, sofort mit dem Boot zur Stadt zu fahren. Es fiel ihm aber noch rechtzeitig ein, daß sein Aufzug doch wohl dort einen befremdlichen Eindruck hinterlassen würde. Er ging also in die Bugkajüte hinunter und stöberte dort im Schrank herum. Er fand was er suchte. Ein grobes Leinenhemd und eine grobe Hose waren vorhanden. Zwei geeignete Sandalen lagen bereit. Ein Gürtelmesser vervollständigte seine Ausrüstung. Einen Stoffbeutel, in dem sich genügend Scheidemünzen und sogar einige Goldstücke, Taler und Dukaten befanden, steckte er ein. Nachdem er sich entsprechend bekleidet hatte, ging er wieder hoch zum Fahrstand.

 

M. betätigte die Motorankerwinde. Der Anker kam frei. Der Diesel sprang sofort an. Das Boot fuhr los. M. steuerte nicht direkt die Stadt an, sondern hielt sich weiter rechts. Er machte das Boot am Ufer an einer Erle fest. Er verschloß die Türen. Die Stadt war jetzt ungefähr ein Kilometer entfernt. M. wußte, daß er den gestern entdeckten Fluß überqueren mußte. Er ging am Ufer entlang. Seine Uhr zeigte genau 7:00 Uhr an. Nach einiger Zeit führte aus dem Birkenwald ein Weg direkt an das Ufer und endete vor der Holzbrücke am Fluß.

 

M. ging langsam weiter. Vor und hinter ihm liefen einige Leute, zumeist mit irgendwelchen Paketen oder Körben beladen. Jetzt hörte er von den Kirchen der Stadt wieder die Glocken läuten. Er blickte schnell noch mal auf die Uhr. Genau 8 Minuten läuteten die Glocken zu spät. Aus dem Wald kam ein Reiter heran. Als er sich näherte, rief er in einem für M. fremden aber verständlichen Dialekt: "Weg frei. Weg frei für die Eilpost." Schon war der Reiter vorbei. M. sah allerdings, daß der Postreiter vor der Brücke halten und absteigen mußte.

 

In der Zwischenzeit war M. auch bei der Brücke angekommen. Die Brücke war aus grob geschlagenem Buchenholz und konnte bei Bedarf hochgezogen werden. Seine Vermutung vom Vortag nach der Schiffbarkeit des Flusses bestätigte sich also. Gleich hinter dem Fluß erhob sich in ca. 300 Meter Entfernung die Stadtmauer. Auf der Brücke schien eine Kontrolle der Passanten stattzufinden. M. war noch nicht an der Reihe. Der Postreiter war schon weg. Ein Mann mit einem Korb voller Birnen fluchte den Stadtbüttel an: "Immer das Gleiche. Die Hälfte des Wegezolls steckt Ihr doch ein. Es wird immer teurer." Er erhielt vom Angesprochen gleich die richtige Antwort: "Willst du dich mit einem Stadtbüttel anlegen? Im Schuldturm ist noch Platz. So, nun mußt du noch einen Pfennig mehr bezahlen!".

 

M. merkte, daß diese Drohung sofort Erfolg hatte. Der Mann zahlte und verschwand in Richtung Stadt. Jetzt war M. an der Reihe. "Hast du was anzumelden? Wie siehst du denn aus?" wurde M. gefragt. M. hatte natürlich vergessen, daß seine Haare wohl nicht der aktuellen Mode entsprachen. Er antwortete: " Ich will nur so in die Stadt." Der Stadtbüttel musterte ihn von oben bis unten. "Was hast du Riesenkerl in der Stadt zu suchen, wenn du nichts verkaufen willst? Du bist nicht von hier." M. überlegte, wie er aus der Situation herauskommen könnte.

 

Der richtige Einfall kam auf Bestellung. Er sagte zum Büttel: "Ich will doch nur zur Messe". "Na, dann sage das doch gleich und spreche zukünftig richtiges Deutsch. Du mußt drei Pfennige bezahlen." M. kramte aus seinem Beutel vorsichtig die drei Pfennige hervor und paßte auf, daß der Büttel den Rest nicht sah. Er ging über die Brücke. Jetzt fiel ihm erst wieder der Satz des Büttels ein, der auf seine Körpergröße anspielte. Tatsächlich, die anderen Leute hier waren im Durchschnitt ein bis zwei Köpfe kleiner als er. Ja richtig, die Menschen waren ja früher kleiner machte sich M. klar. Er war jetzt an der Stadtmauer angekommen.

 

M. sah nun im Detail, daß die Stadtmauer schon bessere Zeiten gesehen haben mußte. An einer Stelle war eine deutliche Bresche im Mauerwerk zu erkennen, die nur teilweise mit Mauerschutt aufgefüllt war. Hier waren wohl Kanonen am Werk gewesen. Überhaupt hatte M. den Eindruck, daß die Stadtmauer eigentlich nicht mehr zum Schutz gedacht war, sondern mehr um den Zugang der Menschen zu kontrollieren. Die Mauer war eher dürftig mit Wachen besetzt und Kanonen auf den Wehrtürmen waren auch nicht zu entdecken. M. ging durch das große Stadttor. So fort breitete sich ein leicht unangenehmer Geruch  aus, der aus einem Rinnsal fast in der Mitte der Straße kam und zwischen den Menschen entlang führte.

 

Es gab auch teilweise Bürgersteige, die er allerdings nicht betreten durfte, da er kein Bürger dieser Stadt war. Er mußte weiter durch den Dreck und Abfall laufen. Er konnte in einem Haustor-Bogen sehen, daß hinten im Dunklen Schweine im Dreck lagen. Ein Mann kam mit einer Karre aus dem Tor und warf den Schweinemist in den Graben in der Straßenmitte.

 

Eine Frau leerte aus dem Fenster in der ersten Etage eines Hauses einen Nachttopf direkt auf die Straße zwischen die Menschen. Das führte aber zu laute Beschwerden der Passanten, die nach den Stadt-Büttel riefen. Hygiene vom Feinsten. M. sah links und rechts in den Fachwerkhäusern kleine Ladengeschäfte. Auch auf der Straße selbst standen einige Buden, in denen Ware angeboten wurde. M. bemerkte immer wieder, wie die Leute ihn anstarrten. Es half nichts, er brauchte eine Mütze oder so etwas.

 

Die Anderen trugen alle irgendwelche merkwürdigen Kopfbedeckungen. Kurz vor dem großen Marktplatz, wo die Hauptkirche stand, entdeckte er einen Hutmacherladen. M. trat von außen an den Tresen. Er tippte auf einen dreieckigen braunen Hut. Als Antwort ertönte eine Frauenstimme hinter dem Stand: "Erstklassige Arbeit, kostet nur 40 Pfennig". M. konnte nicht anders. M. beschloß, ein wenig zu handeln: "Dafür gebe ich nur 30 Pfennig".

 

Die Antwort: "Das könnte Ihnen so passen. Unter 35 Pfennig gebe ich das gute Stück nicht her. Wie sehen Sie überhaupt aus?" M. legte das Geld auf den Tisch und setzte sofort den Hut auf. Er fühlte sich jetzt gleich irgendwie sicherer. Er blickte in einen Brunnen. Sein etwas verschwommenes Spiegelbild bestätigte: Er sah jetzt tatsächlich aus wie die anderen Menschen hier.

 

M. war am Marktplatz angekommen. Es war nicht zu übersehen, daß heute Markttag war. Ungefähr achtzig Stände waren aufgebaut. Es war wirklich was los. M. fühlte nun deutlich, daß er noch nichts gegessen hatte. Er brauchte nicht auf seine Uhr zu schauen, denn die Kirchturmglocken begannen zu läuten. Acht mal. Die Glocken übertönten den nicht unerheblichen Lärm auf dem Platz. Er machte sich auf die Suche nach etwas Eßbarem. M. kam an Gemüse- und Fleischständen vorbei. Die ausgelegten Fleischteile sahen überhaupt nicht vertrauenserweckend aus, die Fische am Fischstand machten allerdings einen frischen Eindruck. Außer Brot wurden kaum fertige Lebensmittel angeboten.

 

M. hatte auch keine Lust, von den Würsten zu probieren. So geht das nicht, stellte er fest. M. sehnte sich eine echte Berliner Curry-Wurst-Bude herbei. Er schlenderte weiter über den Platz. In einer Ecke stand ein Bader neben einem Stuhl und bot seine Dienste für einen Taler an. Zähne ziehen war also teuer. Als M. das bereitliegende Werkzeug sah, ging er schnell weiter. Ein Gewürzstand interessierte M. besonders. Hier wurde Salz, ca. ¼ Pfund zu 25 Pfennig, angeboten. Das war auch nicht gerade billig. Aber ein kleines Beutelchen Pfeffer kostete zwei Taler. Das konnte sich bestimmt kaum einer leisten. M. nahm an, daß hier in der Stadt 30 oder 60 Pfennig einem Taler gleichzusetzen waren.

 

Vor einer Apotheke, die sich in einem Eckhaus befand, war ein Stand aufgebaut, an dem eine alte Frau Kräuter anbot. Es waren wohl Arzneikräuter, denn er hörte einen Streit zwischen dem Apotheker, der aus seinem Laden heraus schimpfte und der Kräuterfrau. Sie sollte verschwinden, meinte der Apotheker, weil nur er das Recht hatte, Drogen zu verkaufen. Die Frau keifte zurück. Sie meinte, daß ihre Kräuter viel besser den Menschen helfen würden als die Pülverchen der Alchemie. M. ging schnell weiter, als er zwei Stadtbüttel interessiert näherkommen sah. Sie mischten sich in den Streit ein. Das konnte nur Ärger für Kräuterfrau geben.

 

Der nächste Stand fand das volle Einverständnis von M. In Neon-Schrift war über dem Stand auf einem Schild zu lesen "Bratwürste". Hier wurden Currywürste, gepökelte Bouletten, Pommes Frites und Rostbratwürste angeboten. Dazu gab es Bier, Mineralwasser und Limonade. M. trat an den leeren Stand. Niemand ließ sich hier bedienen. Die Menschen um M. herum gingen achtlos vorbei. M. bestellte bei dem jungen Mädchen, daß mit dem Braten der Würste beschäftigt war, eine Currywurst mit Darm, eine Boulette und eine Rostbratwurst, sowie eine Limonade. Das Mädchen antwortete: "Die Rostbratwurst dauert noch einen Augenblick. Soll die Boulette mit Senf sein?"

 

M. bejahte die Frage. Er bekam das Gewünschte. Das Mädchen nahm aus dem Kühlschrank die Limonaden-Flasche und stellte sie vor ihm hin. Genüßlich verzehrte er den Imbiß, während er im Radio, das im Regal stand, die RIAS-Nachrichten mithörte. Zum Schluß kam die Rostbratwurst dran. Er fragte das Mädchen: "In welcher Stadt sind wir hier eigentlich?" Das Mädchen antwortete, daß sie das auch nicht wisse, sie müßte wieder weg von hier, wenn er weiterginge. M. war satt und zufrieden. Er verabschiedete sich und ging weiter.

 

Alsbald kam er zum Rand des Platzes. Er sah sich um und konnte beobachten, wie zwei Männer den Curry-Wurststand abbauten, während das Mädchen die Würste in den Rinnstein warf. Einige Hunde stürzten sich auf das Fleisch. Er stand nun vor dem Rathaus. Ein steinerner Brunnen plätscherte etwas. M. blickte auch in diesen Brunnen. Er sah wieder sein Spiegelbild mit Hut. Ja, so sah er fast echt aus. Das Bild verschwand, weil ein Mann seinen Wassereimer eintauchte und damit dann zu seinem Pferd ging um es zu tränken. Er ging in eine Gasse hinein, die zur Stadtmauer führte.

 

M. kam an einem Bach vorbei, der sich eng in einem Kanal durch die Stadt schlängelte. Unmittelbar neben einer Brücke war eine Wassermühle. M. beobachtete, wie dort einige Männer mit dem Hammerwerk Eisen bearbeiteten. M. schaute eine Weile zu. Die Leute stellten Nägel und Beschläge für Türen her. Einige Ratten suchten recht unverfroren am Ufer nach Nahrung.

 

Nach wie vor lag über der ganzen Stadt ein teilweiser übler Geruch, der wohl hauptsächlich aus dem Viertel der Gerber herüber wehte.  M. kam gerade an Häusern vorbei, denen er ansehen konnte, daß hier die besseren Kreise wohnten. Es waren regelrechte Patrizierhäuser darunter.  M. sah auch nirgends eine Beleuchtungsvorrichtung.

 

Keine Laternenhalter, nichts. Das mußte hier nachts ein wahres Vergnügen sein. M. erreichte den Stadtrand auf der anderen Seite der Stadt. Hier zog sich wieder die Stadtmauer entlang. An der Innenseite der Mauer waren einige Kuhställe angefügt. Einige Treppen führten auf die Mauer hinauf. M. konnte nicht widerstehen. Er stieg die Treppe empor. Von hier hatte er eine gute Übersicht auf die Stadt und die Umgebung.

 

Die Stadt hatte einen Durchmesser von ca. 1 1/2 Kilometer. Die Stadtmauer zog sich oval-förmig um den Stadtkern. M. konnte außerhalb der Mauern, vom Seeufer weg, am Rande des Flusses eine regelrechte Vorstadt erkennen. Unmittelbar vor der Mauer standen auch einige Häuser, von denen aber wohl einige völlig abgebrannt waren. Hier mußte ein starkes Feuer gewütet haben. Von oben sah die Stadt doch sehr romantisch aus. M. machte erst gar nicht den Versuch, sich die Häuser mit Fernsehantennen vorzustellen. M. entschloß sich, die Stadt durch das in der Nähe liegende Tor wieder zu verlassen. Er mußte das auch tun, denn er wurde von einem Mauerwächter handgreiflich von der Mauer vertrieben.

 

Auch vor diesem Tor bemerkte M. das gleiche Bild. Eine Schlange von Menschen wurde vor dem Betreten der Stadt kontrolliert. Hinaus kam er ohne Probleme. Rechts am Weg entdeckte er einen Mann, der drei Pferde zum Verkauf anbot. Da M. vorhatte, die Vorstadt aufzusuchen, entschied er sich, ein Pferd zu kaufen. Er fragte den Roßhändler nach dem Preis des mittleren, braunen Tieres. Der Händler musterte ihn und sagte dann: "Du bist nicht von hier. Das Pferd kostet 10 Taler." Das sollte ja wohl bedeuten, daß ein Fremder mehr bezahlen mußte.

 

Sitten waren das hier. M. holte seinen Geldbeutel hervor und zeigte dem Mann die Goldmünze. Der ergriff die Münze, führte sie vorsichtig an seine Zähne und biß hinein. Er wünschte eine gute Reise. M. bekam noch eine Reitdecke dazu, dann bestieg er das Pferd und ritt mehr recht als schlecht los. Das Tier war gutwillig und verzieh ihm so manche falsche Handhabung.

 

M. kam an den ausgebrannten Fachwerkhäusern vorbei. Drei Häuser waren bis auf die Grundmauern abgebrannt. Ein viertes Haus, das unüblich aus Stein gebaut war, stand noch teilweise. Hier waren einige Bauleute dabei, den Schutt wegzuräumen. M. stieg vom Pferd und ging zu den Ruinen. Er sprach einen gut gekleideten Mann an, der wohl die anderen beaufsichtigte. "Guten Tag, lieber Herr. Wodurch ist denn der Brand ausgebrochen?" "Wer seid Ihr und wo kommt Ihr her? Ihr tragt so merkwürdige Kleider." erhielt M. als Antwort. Es half nichts, er mußte wohl schnell eine Geschichte erfinden. Deshalb antwortete er: "Ich bin Hof-Chemikus in Prag.


Mein Name ist Claudius. Aber nun sagt doch, was war die Ursache des Feuers?" Er erhielt als Antwort:" Na dann kommt Ihr ja von weit her. Die in Prag haben eine moderne Universität. Das Feuer wurde durch einen Blitzeinschlag in das linke Fachwerkhaus verursacht. In diesem Jahr sind schon sechs Häuser deshalb abgebrannt. Da kann man nichts machen. Es ist Gottes Wille. Mein Name ist Horst Zimmermann." M. überlegte einen Augenblick, dann versuchte er es: "Dem Wüten des Blitzes kann man Einhalt bieten. Sie brauchen nur an den Häusern einen Blitzableiter anbringen.

 

Das ist eine daumendicke Eisenstange, die vom Dach bis in den Erdboden reicht und den Blitz ableitet. Da ich Euer ungläubiges Gesicht sehe, füge gleich hinzu, bei uns in Prag hatte das großen Erfolg. Vom Blitz getroffene Häuser brannten nur noch in wenigen Fällen ab." Der Baumeister war interessiert. M. erläuterte ihm die Einzelheiten. Der Baumeister sagte ihm offen: "Ich glaube, ich kann den Leuten das noch nicht gleich zumuten.

 

Die würden glauben, es handle sich um Hexenwerk oder eine Teufelei. Aber ich werde heimlich in meinem eigenen Haus ein solches Ding einbauen. Habt vielen Dank für den Tipp." M. verabschiedete sich vom Baumeister und stieg wieder auf sein Pferd und ritt zufrieden los. Zufrieden war er deshalb, weil er ein Fragment des technischen Wissens des 19. und 20. Jahrhunderts loswerden konnte.

 

In der Zwischenzeit stand die Sonne schon hoch am Himmel. Die Vorstadt war doch etwas weiter weg, als M. ursprünglich angenommen hatte. Nach einiger Zeit kam er am Friedhof der Stadt vorbei und nicht lange danach, lag links auf einem Hügel wohl der Richtplatz der Stadt. Erfreulicherweise waren die vier Galgen nicht benutzt. Bald kam er bei einem Hufschmied vorbei, der mit zwei Gehilfen fleißig ein Pferd beschlug.

 

Vom Hinterhuf des Tieres drang beißender, heller Rauch herüber. Rechts am Straßenrand saß ein Bettler, völlig zerlumpt, aber eigentlich nicht unzufrieden aussehend. M. hielt das Pferd an und warf dem Mann ein paar Münzen hin. Der kommentierte den Vorgang mit "Der Herrgott wird es Euch vergelten". Na gut, dachte M. und ritt weiter.

 

M. erreichte nach einiger Zeit die Vorstadt. Der Ort erschien M. angenehm. Hier fehlte der üble Geruch, der ihn in der Stadt so gestört hatte. Überall waren Obstbäume in kleinen Gärten zu sehen. Inmitten dieser Gärten standen kleine Lehmhäuser. Doch auch ein Stadtkern war vorhanden. Überall war ein reges Treiben zu beobachten. M. ritt durch den Ort zum Fluß. Am Ufer lag eine Fähre, die gerade Leute aufnahm. Da M. in der Zwischenzeit Durst bekommen hatte, empfand er es als angenehm, direkt am Wasser ein Wirtshaus vorzufinden.

 

M. band sein Pferd an einen eisernen Ring der Gasthausmauer, direkt neben einer Pferde-Tränke. Gut war, daß das Wirtshaus einen Vorgarten zur Wasserseite hatte. Hier nahm er zwischen einigen anderen Gästen Platz, die wohl schon den Inhalt einiger Krüge genossen hatten. M. überlegte, was er denn trinken könnte. Er sah sich um. Am Nebentisch wurde eindeutig Bier getrunken. An einem anderen Tisch war im Krug roter Wein zu sehen und das da, schätzte M. ein, war doch bestimmt Met. Die Wirtsfrau erschien. M. bestellte ein Bier. Die Frau verlangte das Geld vorher. Er gab drei Pfennige. Bald kam das Bier in einem Tonkrug. Da war ungefähr ein 3/4 Liter drinnen.

 

M. trank einen Probeschluck. Das Bier hatte sogar etwas Schaum und war kühl. Es schmeckte ausgezeichnet. Als die Wirtin vorbeikam, fragte er sie, warum das Bier so angenehm kühl war. M. war sich klar, daß ein Kühlschrank wohl mangels elektrischen Stromes nicht vorhanden war. Er wurde von der Wirtin belehrt: "Ja, da staunen Sie, fremder Herr. Wir schneiden im Winter Eis aus dem Fluß und speichern das Eis dann im Keller. Das hält dann bis in den August. Wir sind hier bekannt dafür. Es ist nicht umsonst so voll im Wirtshaus".

 

So saß M. in dem Wirtshaus am Flußufer und beobachtete die beiden Fährleute, die bei Bedarf die Fähre an langen Stangen über den Fluß schoben. M. wechselte auf ein schattiges Plätzchen und bestellte noch ein Bier. Hier ließ es sich aushalten.

 

Einmal kam ein Kahn flußaufwärts vorbei. Das Boot hatte Holz geladen und wurde am Ufer von zwei Pferden gezogen. Zu dem Zweck gab es am Ufer einen Treidelpfad. Einer der beiden Schiffer steuerte die Pferde vom Boot aus durch Pfiffe. Die Fähre fuhr immer dann, wenn am anderen Ufer genug Menschen oder Fuhrwerke warteten. Manchmal mußten die Fahrgäste mit zupacken, um das schwere Boot zu bewegen. Flußabwärts kam ein Floß vorbei, das mit Fässern beladen war. Vorn und hinten steuerten zwei Leute das Gefährt mit langen Rudern.

 

M. stellte bekümmert fest, daß das gute Bier wohl nicht ohne Alkohol war und außerdem auch sonst die gleichen Eigenschaften wie ihm bekanntes Bier hatte. M. versuchte zu ergründen, wo hier das bewußte Örtchen war. Nicht zu entdecken. Also, wie machten das die Anderen? Ach so, auf die simpelste Art. Er verschwand hinter dem Vorgarten in den Büschen. Als er zurück kam, mußte M. zur Kenntnis nehmen, daß sein Pferd verschwunden war.

 

In seinem jetzigen Zustand war das ihm aber egal. Er ließ sich mit der Fähre übersetzen, nachdem er zwei Pfennige bezahlt hatte. Drüben angekommen, erkannte er, daß er so nicht wieder zum Seeufer zurückkommen würde. Deshalb verzog sich M. auf eine Wiese am Ufer des Flusses. Er legte sich unter eine Weide und beabsichtigte einzuschlafen, was ihm auch sofort gelang.

 

M. wachte auf. Er hatte einen leichten Brummschädel. Ja, das Bier, dachte er. M. blickte auf seine Uhr. Es war 11:30 Uhr. Er empfand nun ausgeprägten Hunger und Durst. Auf dem Boot waren ja alle Lebensmittel im Kühlschrank. Auch hier unter der Weide war es sehr warm. Die Sonne brannte.

 

So kam es, daß M. klein beigab und sich vorstellte, wie in dieser Landschaft ein Landrover aussehen würde. M. stand auf, noch ein wenig wacklig, und ging zum Uferweg. Hier stand ein roter Range-Rover, der von einigen Wanderern mißtrauisch betrachtet wurde. M. öffnete den Geländewagen und stieg ein. Der Zündschlüssel steckte. M. startete den Wagen. Die Umstehenden warfen sich zu Boden. M. fuhr los. Langsam, denn auch für den Rover war der Weg nicht einfach. Er fuhr am Ufer entlang und erreichte bald die Stelle, wo er heute am Morgen über die Brücke in die Stadt gegangen war. Die Stadtbüttel und sonstigen Anwesenden verschwanden schreiend.

 

Es tat M. leid. Aber er wollte zum Boot zurück. Er fuhr weiter am Seeufer entlang. Sicherheitshalber fuhr M. auf eine Wiese, als er vor sich ein ihm entgegenkommendes Pferdegespann entdeckte. Er ließ das Gespann vorbei und setzte seinen Weg fort. M. schaltete routinemäßig das Autoradio an. Es gelang ihm nicht, einen Sender einzustellen, nur atmosphärische Störungen waren zu vernehmen. Am Boot angekommen, mußte er entdecken, daß viele Menschen am Ufer und im Wasser sein festgemachtes Boot umringten. Fünf Büttel und sogar ein Priester waren am Ort. Es half nichts. M. raste laut hupend auf das Ufer zu, hier stoppte er.

 

Die guten Leute rannten weg. Er konnte das Boot besteigen. Nur der Priester war stehen geblieben und zitierte laut Passagen aus der Bibel. Er hielt M. ein großes Kreuz entgegen. M. winkte ihm freundlich zu, worauf der Pfarrer sich bekreuzigte. M. schloß die Fahrstandtür auf und startete den Motor. Er legte vorsichtig ab, denn es sprangen immer noch Menschen im Wasser herum. Das Ufer wurde schnell kleiner.

 

M. hatte ein ruhiges Plätzchen mitten auf dem lagunenartigen See gefunden und ließ dort den Anker herunter. Er kochte in der Kajüte Spaghetti mit Tomatensoße und hineingeschnittener Salami. Als das Essen fertig war, öffnete er eine Flasche Mineralwasser und speiste, nur von einigen Wespen gestört, in Ruhe. M. dachte beim Essen an den Vormittag. Er mußte schmunzeln.

 

Kapitel 4 . Samstag nachmittag und Samstag abend

 

M. hatte sich eine Stunde der Entspannung in einer Hängematte gegönnt, die er nach dem Essen auf dem Deck aufgespannt hatte. Nun, da er sich wieder fit fühlte, entschloß er sich, den Fluß zu erkunden. M. baute deshalb den kleinen Top-Mast ab. Es hätte bei der Holzbrücke mit der Durchfahrt Schwierigkeiten geben können, denn er glaubte nicht, daß man ihm die Brücke hochziehen würde. Da es jetzt, am frühen Nachmittag, doch recht warm war, öffnete er die beiden Seitentüren des Fahrstandes und schaltete den Ventilator ein. Er holte sich ein gekühltes Bier aus der Kajüte. Dann löste er wieder den Anker.

 

M. nahm Kurs auf die Flußmündung. Als er näher kam, schaltete er das Echolot ein, um sicher zu gehen, daß er nicht auf eine untiefe Stelle in der Mündung traf. Aber die Sorge war umsonst. Das Gerät zeigte drei Meter Wasser unter dem Kiel an. Er fuhr langsam auf das Ufer zu, direkt in die Mündung des Flusses. Vor ihm tauchte die Brücke auf. Oben standen zwei Stadtbüttel, die ihre Kontrolltätigkeit vergessen hatten.

 

Sie erwarteten ihn gestikulierend. Unwillkürlich stoppte M. das Boot. Er sah, wie die Büttel ihre Flinten auf das Boot richteten. Das Boot wurde von der Flußströmung zurückgetrieben. M. holte aus der Kajüte die Signalpistole und schoß aus dem linken Fenster nacheinander fünf Signalböller nach oben ab. Das wirkte.

 

Auf der Brücke war kein Mensch mehr zu sehen. M. wollte die Brücke hinter sich bringen und gab dem Diesel halbe Fahrt frei. Das Boot paßte gerade unter der Brücke durch. Als M. die Brücke ungefähr 20 Meter hinter sich gelassen hatte, bekam ein Büttel doch Mut und schoß seine Flinte auf ihn ab. Am Stahlheck war kurz ein kratzendes Geräusch zu hören. Halbwegs erbost drückte M. auf das Schiffs-Horn. Der Büttel war wieder weg. M. steuerte das Boot weiter.

 

Auf der linken Seite des Flusses zog die mittelalterliche Stadt vorbei. M. konnte vom Fluß aus erkennen, daß eben dieser Fluß benutzt wurde, um den Wassergraben der Stadtmauer zu speisen. Der Bach, den M. am Vormittag in der Stadt bemerkt hatte, traf über eine Staustufe den Fluß. Der Bach mußte aber auch an dieser Stelle eine Wassermühle betreiben. Die Mühle diente anscheinend der Holzverarbeitung.

 

M. wagte es, den ersten Schluck Bier zu trinken. Die Ereignisse hatten ihn bisher zu sehr abgelenkt. Die Stadt verschwand langsam. Links und rechts waren nun Wiesen zu sehen. Es fiel M. auf, daß kaum Getreidefelder anzutreffen waren. Auf den Wiesen fraßen Schafe und Kühe. Der Fluß war immer noch tief genug für das Boot. Rechts am Uferweg blieben immer wieder Menschen stehen und zeigten aufgeregt auf ihn.

 

Vor M. tauchte links die kleine Vorstadt auf. Er konnte auch schon das Wirtshaus sehen. Die Fähre war gerade beim Übersetzen. M. stoppte das Boot, indem er Fahrt etwas weg nahm. Er wollte keine Katastrophe verursachen. Die Fährleute sahen ihn auch nicht. Nachdem die Fähre angelegt hatte, fuhr M. langsam weiter. Aus dem Wirtshaus kam lautes Gelächter, die Leute zeigten belustigt auf das Boot und schwenkten die Bierkrüge. Die Benutzer der Fähre suchten bei seiner Vorbeifahrt das Weite.

 

Das Boot fuhr weiter. Die Landschaft änderte sich leicht. Rechts dehnte sich nun ein Mischwald aus, während auf der linken Seite eine flache Hügellandschaft, ebenfalls bewaldet, auftauchte. Auf einem der Hügel stand eine kleine Burg. Als M. näherkam, erkannte er, daß die Burg eindeutig zu kitschig geraten war, zu viele überladene Türme und Simse. Unter der Burg am Ufer war eine Zollstelle zu erkennen. Das Boot fuhr gegen ein dickes Tau, das quer über den Fluß gespannt war. Vom Ufer löste sich ein Boot mit 10 bewaffneten Männern.

 

Es blieb nicht viel Zeit. M. setzte das Boot ca. 50 Meter zurück und fuhr dann mit voller Fahrt gegen das Tau. Es zerriß sofort, begleitet vom Wutgeheul der Zöllner. M. konnte nicht anders, er steckte den Zöllnern die Zunge heraus, als Antwort klatschten ein paar Armbrust-Pfeile gegen die Bordwand.

 

Das Wasser des Flusses war ganz klar. M. konnte an vielen Stellen bis zum Grund schauen. Am linken Ufer zog ein kleines Dorf vorüber, eine Kirche konnte M. nicht entdecken. Er bemerkte stattdessen am Ufer mehrere Reusen. Sie lagen zur Reparatur dort. Einige Fischer waren damit beschäftigt, die Reusen und Netze instand zu setzen. Hinter dem Ort waren ebenfalls am Ufer Stellagen angebracht, auf denen viele Fische trockneten. Aus zwei Holzhäusern drang starker Qualm. Hier wurden Fische geräuchert. Die Menschen nahmen kaum Notiz vom Boot.

 

M. war eine gute halbe Stunde gefahren. Die Hügellandschaft links hatte sich in deutliche Berge verwandelt. Am rechten Ufer erstreckte sich nach wie vor ein ausgedehnter Wald, der allerdings mehr und mehr in einen Nadelholzbestand überging. M. hatte keine Siedlungen oder Menschen mehr gesehen. Nur von Zeit zu Zeit trafen Bäche den Fluß.

 

Der Himmel war dunkelblau, die Luft spürbar klar, trotz der wärmenden Sonne. Noch im Wald versteckt, bemerkte M. eine Rauchfahne, die nicht sehr stark war. Interessiert beobachtete er das Flußufer. Nach einiger Zeit tauchte eine Rodung direkt am Ufer auf. Inmitten der freien Fläche stand ein riesiger Holzstapel, der zum größten Teil mit Moos abgedeckt war und aus dem der Rauch aufstieg. Einige Fuhrwerke, mit Holz beladen, standen am Rand der Rodung.

 

Ein zweiter Holzstapel wurde aufgebaut. M. war sich sicher, daß hier Holzmeiler erstellt und betrieben wurden. M. sah weiter hinten einen Meiler der gerade ausgeräumt wurde. Große Stapel von Holzkohle wurden abgetragen. Die Köhler entdeckten ihn und das Boot. Einige winkten ihm zu. M. grüßte zurück. Am Ufer, an einem Steg lag ein Holz-Kahn. M. erkannte in ihm das Boot, daß er am Vormittag mit dem Pferdegespann flußaufwärts fahrend gesehen hatte. Richtig, dort standen auch die beiden Tiere und tranken vom Flußwasser.

 

Die Fahrt ging weiter. Der Fluß wurde breiter und flacher. M. fuhr langsamer und achtete auf das Echolot. Vor ihm tauchten einige Inseln im Fluß auf, von denen eine aus Felsen war. Die anderen waren bewaldet. Der Fluß wurde noch breiter. Es war nicht mehr klar zu erkennen, wo die Hauptrichtung des Flusses lag. Eine Insel nach der anderen tauchte vor und neben M. auf.

 

Das Echolot warnte. M. wendete und fuhr ein Stück zurück, er nahm dann Kurs zwischen zwei anderen Inseln. Er sah vor sich in der sonst klaren Luft eine Nebelwand, die wie eine Mauer über dem Fluß lag. Er fuhr einfach hinein. Weißer Dunst umfing das Boot. Es wurde sehr kühl. So schnell, wie der Nebel aufgetaucht war, verschwand er auch wieder.

 

Der Fluß blieb weiterhin breit und flach. Die Inseln ließ M. zurück. Er hielt sich am rechten Ufer. Die Strömung hatte hier das Flußbett tief genug ausgewaschen, um ungefährdet mit dem Boot fahren zu können. Der Fluß schwenkte nach rechts. Hinter der Biegung kam am Ufer-Hang ein Holzhaus zum Vorschein. Davor, in einem Vorgarten, stand ein Neonreklame-Schild.

 

Die Aufschrift blinkte: HOT DOGS - HAMBURGERS - BEER. M. verlangsamte die Fahrt und hielt am Bootssteg an. Er machte das Boot fest und sprang an Land. Rechts neben dem Haus stand ein amerikanischer PKW, ein Crysler. Weiter oben, an der Straße, war ein Wohnmobil geparkt.

 

M. stieg den Weg zum Haus hoch. Auf halber Höhe war eine halboffene Telefonzelle zu sehen. M. wollte an der Zelle vorbeigehen, aber das Telefon klingelte plötzlich. M. trat an das Gerät und hob den Hörer ab. Er sagte etwas unsicher: "Ja?", darauf antwortete eine englisch sprechende Stimme: "Hören Sie, Herr M., nicht daß Sie glauben, wir würden Kritik üben..." M. unterbrach, ebenfalls perfekt englisch sprechend, "Wer spricht denn da überhaupt?". "Oh, entschuldigen sie. Hier ist das Inselsekretariat. Herr Schröder. Ich bin zuständig für Sie. Also was ich sagen wollte, sie müssen sich doch ein wenig mehr um die Objekte kümmern. Das mit dem Wurst-Stand auf dem Markt war kein Problem.

 

Aber es geht einfach nicht, daß sie den Rover stehen lassen und sich nicht mehr darum kümmern. Haben Sie denn den Löscher nicht dabei?" M. schwieg betroffen. Natürlich, daran hatte er an diesem Wochenende noch nicht gedacht. Er antwortete: "Das tut mir leid. Ich hatte den Löscher völlig vergessen. Ich habe aber auch gar keinen dabei. Was soll ich denn jetzt machen?" Herr Schröder teilte ihm mit, daß im Haus ein Löscher für ihn bereit liegen würde. Er brauchte sich, nach Auskunft des Sekretärs, nicht mehr um die reklamierten Objekte kümmern. M. verabschiedete sich und ging weiter zum Haus hoch.

 

Das Haus sah innen wie jede andere amerikanische Hamburger-Station oder jedes Diner aus. Er ging auf den Tresen zu. Dahinter stand Silvia Lanke. Sie hatte eine Schürze um und sah ihn an. "Na, wie wäre es mit einem schönen Ingwer-Bier?" fragte sie auf Englisch. M., der sich wunderte, wie gut er die Sprache verstehen und sprechen konnte, antwortete: "Das ist aber eine angenehme Überraschung. Wie kommen Sie denn hier her? Ich hatte nicht mehr an Sie gedacht." Frau Lanke erwiderte: "Das kann ich Sie auch fragen. Bei mir lag im Augenblick auch kein Wunsch vor, Sie zu treffen.

 

Ich wollte einfach mal in den Rocky Mountains eine Hamburger-Station führen." M. sagte zu ihr: "Ja, da sind dann wohl die Wünsche vieler Menschen ähnlich. Ich wollte eigentlich auch in die Rocky‘s. Ich hatte mir gedacht, vielleicht mit einem Wohnmobil zur kanadischen Grenze zu fahren. Ich habe mich aber vielleicht bei meiner Stadtbesichtigung etwas verzettelt. Na, egal."

 

Frau Lanke holte eine Flasche Ingwer-Bier aus dem Kühlschrank. Sie sagte: "Sie sind heute der erste Gast. Es ist doch leider etwas langweilig hier. Kaum Verkehr auf der Straße. Ich hatte mir das eigentlich anders vorgestellt. Ich dachte, hier wäre mehr los. Keine Trucker, Sie verstehen? Jetzt fällt mir ein, draußen, auf dem Parkplatz steht ein Wohnmobil.

 

Ein Zettel klebt dran: Vermietet. Das ist bestimmt für Sie. Wollen Sie was essen?" M. überlegte kurz: "Ein Cheese-Egg-Burger und Pommes-Frites mit viel Ketchup ist genau richtig." Dann rutschte ihm noch heraus, "na, wenn es Ihnen hier nicht gefällt, kommen Sie doch einfach mit." Frau Lanke sah ihn kurz an.

 

Die Hamburger wurden auf dem Grill plaziert. Frau Lanke überlegte. Sie gab M. den bereitliegenden Löscher. M. ging zum Fenster und blickte zum Boot hinunter. Er drückte auf den Löschknopf. Das Boot verschwand.

 

M. aß mit gutem Appetit. Es waren nun doch noch andere Gäste gekommen. Sie wurden von Frau Lanke bedient. Als die Leute ihr Steak bekamen, schimpften sie, weil es angeblich zu hart und zu klein war. Frau Lanke ließ die Gäste stehen, kam zu M. herüber und sagte zu ihm: "Also das ist ja eine Frechheit. Das macht keinen Spaß. Wissen Sie was? Ich komme mit. Aber bitte dann schnell."

 

M. nickte, trank sein Bier aus und stand auf. Er fragte: "Haben Sie ihren Löscher dabei?" Frau Lanke nahm ihren Löscher und drückte auf die Taste. Das Gebäude, die Telefonzelle, der Bootssteg und der PKW waren weg. Nur das Wohnmobil stand noch an der Straße.

 

M. stieg in den Wagen. Es war sehr heiß im Wohnmobil. M. öffnete die Fenster. Er sagte zu Frau Lanke: "Wenn wir vorläufig zusammenbleiben, können wir uns doch mit dem Vornamen ansprechen. Ich glaube, der Wagen ist gut ausgerüstet." Frau Lanke war einverstanden.

 

Das Wohnmobil hatte 4 feste Betten und 2 Einsatzbetten. Hinten war eine Sitzecke, davor die Küche und ein Dusch- und WC-Raum. Von der Küche, die hinter dem Fahrerhaus lag, ging eine kleine Treppe nach oben. Hier waren zwei Betten. Aus dieser Koje konnte durch ein Fenster nach vorn auf die Straße geblickt werden. Ein gemütlicher Ort war das auf jeden Fall.

 

M. startete den Wagen, Silvia nahm auf dem geräumigen Beifahrersitz Platz. M. lenkte das Mobil auf die Straße. Sie fuhren in Richtung Norden. Ein Stück lang führte die Straße am Ufer des Flusses entlang, dann bog sie über eine Beton-Brücke nach links ab. Die Straße zog sich durch einen dichten Nadelholzwald hin. Außerdem stieg sie ständig an. Vor dem Wagen tauchten die Rocky Mountains auf. Beide Mobilisten schwiegen und ließen die Landschaft auf sich wirken.

 

Es war wenig Verkehr auf der Strecke. Bisher war ihnen nur ein Greyhound-Bus entgegengekommen. Die Uhr des Wagens zeigte 4:00 PM an. M. fragte Silvia: "Es geht mich ja nichts an, aber ist es denn so toll, Bedienung in einer Grillstation zu sein?". Silvia lachte und meinte, "Na, ich hatte schon genauere Vorstellungen. Mal sehen, wie es so weiter geht." Sie erhob sich und sagte, indem sie nach hinten ging, "Ich will nachher auch mal fahren.

 

Jetzt wird erst einmal Kaffee gekocht." M. schaltete das Radio an. Es hatte nur einen AM-Bereich. Er stellte einen Sender ein, der ständig zwischen den Werbungen behauptete, nur Country-Music zu bringen. Irgendwie paßten die einfachen Melodien und Texte. M. roch nach kurzer Zeit den versprochenen Kaffee-Duft. Silvia reichte ihm seinen Topf mit dampfendem Kaffee nach vorn. Kurz berührten sich dabei ihre Hände. M. verspürte das bekannte leichte Kribbeln, das ihn unmißverständlich daran erinnerte, daß Silvia aus Fleisch und Blut war. Silvia zog sehr schnell wieder die Hand weg.

 

Er bekam noch ein Stück Cake. Sie verschwand wieder. Er hörte sie hinten rumoren. Dann vernahm er ihre Stimme: "Im Schrank ist auch passende Bekleidung für mich. Ich probiere mal was an." Er konzentrierte sich auf die Straße, die jetzt ziemlich steil anstieg. Sie hatten den Fuß des vor ihnen liegenden Gebirgszuges erreicht. M. mußte ständig das Lenkrad bedienen, um den Serpentinen zu folgen. Trotzdem trank er den Kaffee und probierte den süßen Kuchen.

 

Der Wagen erreichte die Paßhöhe. M. konnte in ein weites grünes Tal blicken, das sich bis zum Horizont ausstreckte, ringsherum umgeben von den Bergen der Rocky‘s. Vom Paß führte die Straße wesentlich flacher und weniger geschlungen runter in das Tal. Am Straßenrand stand ein Schild mit der Aufschrift “Welcome to White Fish County. Visit the Long River”. Es machte M. richtig Spaß, den großen Wagen zu fahren und sich die Landschaft anzusehen. Er wurde aufgeschreckt durch das Telefon vorn rechts auf dem Armaturenbrett. Er nahm ab. Silvia meldete sich: "Ich bin über Dir in der Koje. Ich kann hier liegen und in Ruhe den Kaffee trinken und hinaussehen. Fahr nicht so ruckartig."

 

Gegen 5:00 PM hatten sie den Fluß in der Tal-Mitte erreicht. Silvia kam herunter und betrat wieder das Fahrerhaus. Sie hatte sich also für einen Bikini entschieden. Bei den Temperaturen auch nicht unverständlich, dachte M. Allerdings wurde ihm nun endgültig bewußt, daß Sil

 

via eine höchstgefährliche Erscheinung war. Silvia wollte jetzt selbst fahren. M. hielt an und sie tauschten die Plätze. Während Silvia den Wagen fuhr, konnte sich M. besser die Landschaft ansehen. Vom Tal-Grund aus sahen die Berge sehr gewaltig aus. Auf der linken Talseite waren die Berge mit Schnee bedeckt. Die Straße wechselte ihren Belag.

 

Sie fuhren nun über festen Schotter. Der Fluß neben ihnen strömte schnell dahin. Überall waren kleine oder größere Stromschnellen zu sehen. Nach einiger Zeit meinte Silvia: " Hier werden wir halten. Das ist ein schönes Plätzchen." Sie fuhr den Wagen in eine günstige Position am Wasser.

 

M. holte zwei Klappstühle und einen Klapptisch aus dem Wagen und stellte alles direkt am Ufer auf. Der Long River machte hier eine Kurve und deshalb war eine Sandbank entstanden, auf der sie sich nun hinsetzten. Weiter hinten rauschte das Wasser. Silvia hatte einen Bourbon-Whisky herbeigebracht, zwei Gläser und Eiskugeln. Sie sagte: "Ich werde meinen Whisky mit Flußwasser verdünnen." Sie ging mit dem Glas zum Flußbett. M. trank einen Schluck.

 

Der Drink war in dieser Umgebung eine wirkliche Erfrischung. M. streckte die Beine aus und nahm sich vor, hier nie wieder weg zu gehen. Ein Aufschrei von Silvia riß ihn aus seinen Betrachtungen. Silvia stand am Wasser und winkte ihm zu. M. trank das Glas leer und ging zu ihr hin.

 

Silvia blickte ihm triumphierend entgegen. Sie hatte etwas Glitzerndes in der Hand. "Sieh mal. Wenn das kein Gold ist. Hier ist bestimmt noch mehr davon." M. lächelte still. Das waren also ihre Wünsche. Na, warum eigentlich nicht. Im Übrigen hatte sie recht, hier mußte es mehr Gold geben. Silvia hatte vielleicht etwas übertrieben mit der Größe des gefundenen Stückes. Es war so groß wie ein Taubenei. Aber die Idee fand M. gut. Er sagte: "Ich hole mal zwei Radkappen vom Wagen. Dann können wir Gold waschen." Silvia hatte ihren Whisky vergessen. M. sah noch, als er zum Wagen zurück ging, daß sie sich recht verführerisch bückte, um weiteres Metall zu suchen. Als er zurück kam, hatte sie schon ein weiteres Stück gefunden.

 

Auch nicht gerade klein. M. begann mit dem Schürfen. Silvia blieb bei ihrer Methode mal hier und mal da zu suchen, mit Erfolg. M. fand im ausgewaschenen Sand der Radkappe auch Gold, aber feine Strukturen. Er hatte den Whisky mitgebracht. Somit war der weitere, angenehme Ablauf des Nachmittags sichergestellt. Gegen 7:00 PM verloren sie die Lust, sich ständig zu bücken. Sie nahmen ihre Beute, die sie einfach in die leeren Gläser gelegt hatten und schlenderten zum Wagen zurück.

 

Silvia hatte ca. 1900 Gramm Gold und M. ca. 800 Gramm gefunden. Das war ein Grund zum Feiern. Der restliche Whisky wurde nun mit zunehmender Freude getrunken. M. holte aus dem Kühlschrank fertig eingepackte Sandwiches. Die Stimmung stieg. Das Radio lieferte weiterhin Country-Music. Man begann sich zu mögen. Man war nun reich. Es wurde langsam dunkel. Silvia teilte Ihm mit, daß sie sich in Berlin einen schicken Wagen kaufen wollte. M. erschrak. Er wußte plötzlich, was nun kommen würde. Aber es war zu spät.

 

Es dauerte keine zwei Minuten, da sahen sie auf der Uferstraße einen Wagen kommen. Er hatte die Scheinwerfer an und rot-blaues Licht blinkte. Das typische Aufheulen der amerikanischen Polizeisirenen war unüberhörbar. Der Polizeiwagen bog von der Straße ab und kam direkt auf sie zu. Der Wagen hielt und ein Mann in der Uniform der Park Ranger sprang heraus. Er kam auf sie zu und sagte: "Sie wissen doch ganz genau, daß Sie keine Sachen von der Insel mit in die Stadt nehmen dürfen. Es tut mir leid, aber ich muß das Gold beschlagnahmen."

 

Auf seiner Uniform stand das Schild: H.J. Schröder Inselsekretariat. Silvia antwortete: "Ich denke, ich kann vorläufig hierbleiben." Schröder erwiderte: "Die Regel gilt trotzdem. Tut mir leid. Geben Sie mir bitte beide jetzt das Gold". M. schaute Silvia an und Silvia verstand. Beide griffen gleichzeitig ihren Löscher und aktivierten ihn. Sofort verschwand das Gold und auch Schröder mit seinem Wagen.

 

Sie lachten eine Weile über ihren Schachzug und gingen dann in das Mobil. Es war jetzt dunkel. Silvia lud M. zum Duschen ein. Es war etwas eng in der Kabine. Auch war für M. die Nähe von Silvia nur schwer zu verdrängen. Anschließend wurde entschieden, wer oben und wer unten schlafen würde. Silvia verlor. Sie mußte deshalb hinten im Heckteil schlafen. Sie tranken noch ein Glas Bier zusammen und zogen sich dann zurück. M. lag in seiner Koje und hatte das Licht angemacht. Er blätterte lustlos in dem Straßenatlas, den er in einem Seitenfach gefunden hatte.

 

M. war zwar müde aber er hatte sich irgendwie an Silvia gewöhnt. Sie erschien ständig als eindeutiges Fixierbild auf der Oberfläche des Atlas und verdrängte die dort gezeigte Landschaft. Ohne es zu wollen, hing er seinen Gedanken nach. Wenn jetzt ein Gewitter käme, dachte er. Solche Überlegungen hatten auf der Insel aber immer Folgen.

 

Er hörte in der Ferne dumpfes Donnergrollen. Gleißende Blitze beleuchteten die Landschaft vor dem Fenster. Es begann zu regnen. Das Gewitter zog schneller herauf, als er angenommen hatte. Es wurde jetzt doch arg. Fast ohne Pause donnerte und blitzte es. Ein peitschender Knall in unmittelbarer Nähe ließ den Wagen erzittern. M. stieg noch mal runter, um sich ein Bier zu holen.

 

An Schlafen war nicht zu denken. M. bemerkte, als er aus dem Fenster blickte, daß der Long River anstieg. Kein Wunder, bei dem Wolkenbruch. M. stieg in das Fahrerhaus, startete und fuhr den Wagen etwas vom Ufer weg. Er schaute zu Silvia hinüber, die sein Handeln aus dem dunklen Heckteil des Wohn-Mobiles beobachtete. Sagen konnte er bei dem Donnerlärm nichts.

 

Er winkte ihr zu und stieg dann wieder nach oben. Kaum lag er oben in seiner Koje, erschien vom Vorhang her ein weiteres Bier und dann der Kopf von Silvia auf. "Mach Platz da, hinten ist das allein nicht auszuhalten...." begann sie, aber ein lautstarker Einschlag, wieder in der Nähe, ließ beide zusammenzucken. Sie kam in die geräumige Koje. Während des nächsten Blitzes konnte M. sehen, daß ihre Bekleidung eigentlich nicht vorhanden war.

 

Sie lagen nebeneinander und beobachteten nun ohne Angst das Gewitter. Nach dem Bier machte es direkt Spaß. Sie schwiegen und schauten nach draußen. Das Aufleuchten der vielen Blitze und das unablässige Donnergetöse ließen M. und Silvia mehr zusammenrücken. Als das Donnern endlich geringer wurde und nur noch der Regen auf das Dach prasselte, rückte Silvia noch näher zu ihm ran. Sie flüsterte: "Das mit dem Gewitter war doch eine gute Idee von mir, nicht?"

 

M. mußte schmunzeln. Jetzt wußte er, warum das Unwetter so schnell herangezogen war. Nur noch der Regen rauschte einige Zeit herab. Das Gewitter zog ab und war bald nur noch als Wetterleuchten zu sehen. M. und Silvia lernten sich genauer kennen.

 

Kapitel 5 . Sonntag vormittag

 

M. erwachte. Er mußte sich erst zurechtfinden. Durch das Fenster der Schlafkoje konnte er sehen, wie Silvia gerade zu zwei jungen Männern in einen Ford Mustang stieg. Sie blickte von drinnen zu ihm herüber und winkte kurz. Dann startete der Sportwagen und fuhr mit durchdrehenden Rädern aus dem Blickfeld von M. M. stieg aus der Koje in den Küchenteil des Wohn-Mobiles hinunter, setzte Kaffee auf und verschwand in der Dusche. Fünf Minuten später saß er dann vor dem Mobil am Klapptisch und frühstückte.

 

M. wurde sich klar darüber, daß Silvia einem nächsten Abenteuer entgegenfuhr. Sie schien ihren Aufenthalt auf der Insel konsequent zu nutzen. Recht hatte sie. Allerdings fühlte sich M. doch ein wenig leer. Das kommt eben davon, wenn man sich mit Personen von außerhalb der Insel gedanklich einläßt.

 

M. räumte alles ein, bestieg das Fahrerhaus, überlegte kurz, fuhr dann den großen Wagen vom Long River weg auf die Uferstraße. Die Uhr zeigte 8:00 AM. Er fuhr etwas schneller als sonst. Die Straße verließ den Fluß und führte auf den linken Rand des Tales zu. Es ging wieder bergauf. Die Sonne schien mit Kraft. Der Himmel war wolkenlos und leuchtete konsequent strahlendblau. Die Luft war klar. Die Einzelheiten der vor M. liegenden Berge in ca. 10 Km Entfernung waren genau zu erkennen. Es fehlte jeder Dunst in der Luft. M. träumte beim Fahren vor sich hin. Er ging die Erlebnisse des gestrigen Tages noch mal durch.

 

Er bekam plötzlich Lust, in dem Wirtshaus an der Fähre noch einmal einzukehren, um das mittelalterliche Bier zu probieren. M. fuhr gerade in einen dichten Waldbestand hinein. Die Bäume waren außerordentlich hoch. Hinter der nächsten Straßenbiegung rechnete M. eigentlich damit, daß das Wirtshaus auftauchen würde. Er bereitete sich schon innerlich auf das Bier vor. Als er aber die Kurve durchfahren hatte, kam er aus dem Wald heraus und befand sich in dem Park der Inselverwaltung.

 

Da lag auch das Sekretariat. Hinten war der Durchgang durch die Burgmauer zu sehen, der zum Anlegesteg der Fähre nach Tegel führte. M. wollte wenden, aber der Weg war zu schmal dafür. Er versuchte es trotzdem, doch der Rückwärtsgang ließ sich nicht mehr einlegen. Er fuhr also den Weg entlang und kam direkt am Sekretariat an. Vor der Tür stand der Sekretär und grinste. "Sie wissen doch ganz genau, Herr M., sie dürfen einen Wunsch immer nur einmal realisieren. Da sind wir hier ziemlich genau."

 

Natürlich, das hatte M. vergessen, der Aufenthalt in dem Wirtshaus war nicht zweimal zulässig. Schade, dachte er. "Ist das alles?", fragte er Herrn Schröder. "Ja, ansonsten viel Spaß noch. Das mit dem Gold gestern, haben Sie gut hinbekommen." Beide lachten. Da M. nun aber wirklich Durst hatte, auf Bier oder sonst ein angenehmes Getränk, dachte er sich die reizvolle Möglichkeit aus, hier im Park, im Beisein vom Sekretär, eine Quelle sprudeln zu lassen. Wenn schon, denn schon, dachte er. Er ging auf den Rasen des Parks, wo sich gerade eine Rotwein-Quelle gebildet hatte und ergriff einen dort bereitliegenden Pappbecher.

 

Er füllte ihn, trank den richtig temperierten Wein und prostete dem Sekretär zu. Der sah ihn mißbilligend an und verschwand im Haus mit den Worten: "Vergessen Sie nachher nicht, diese Schweinerei wieder zu löschen." Diesem Wunsch kam M. nach. Dann löschte er auch das Wohnmobil und stieg in einen schwarzen Turbo-Porsche ein, der stattdessen auftauchte. Er gab behutsam Gas und rutschte trotzdem auf dem Kiesweg hin und her, der zum Waldrand führte. Der Wagen verführte M. doch ein wenig dazu, die Kurven im Wald zu schneiden, aber er war sich sicher, Gegenverkehr würde es auf seiner Straße nicht geben.

 

Nach 20 Minuten kam er aus dem Wald heraus und befand sich wieder auf der Straße im Long River-Valley. M. raste mit dem Turbo den Bergsattel hinauf. Oben angekommen hielt er an, stieg aus und blickte sich um. Die Sonne stand jetzt hoch am Himmel. Er konnte von hier das ganze Tal überblicken. Unten zog sich der Long River kurvenreich hin. Die Sonne spiegelte sich glitzernd im Wasser.

 

Er wendete den Blick und schaute auf die andere Seite des Bergmassivs. M. erschrak ein wenig. Vor ihm erstreckte sich bis zum Horizont eine wüste Landschaft, fast flach, keine Bäume, nur hin und wieder einige Sträucher. Die Ferne lag im trüben, wabernden Dunst. Das war ganz klar der Beginn einer Wüste. Weiter unten, auf halber Höhe des Paßes, der vom Berggipfel in die Wüstenebene führte, konnte M. ein Gebäude sehen. Er bestieg den Turbo und fuhr bergab bis zu dem Gebäude, daß sich als General Store und Tankstelle entpuppte.

 

Eine alte Dame kam aus dem Haus und füllte ohne ein Wort zu sagen, den Tank voll. M. zahlte und ging in den Laden. Die alte Dame kam hinterher. "Was wünschen Sie?" "Ich möchte einen großen Wasserkanister haben und eine Karte der Gegend hier, ja und etwas Verpflegung", erwiderte M. Die Dame stellte ihm einen Kanister hin und sagte: "Ich empfehle Ihnen unseren Überlebens-Pack.

 

Da ist alles drinnen, was Sie in der Salzwüste brauchen. Wenn Sie durch wollen, wird Ihr Benzin aber nicht reichen. Nehmen Sie am besten noch Reserve-Benzin mit." M. bedankte sich, zahlte und belud den Wagen. Vor dem Haus stand wieder so eine Telefonzelle. Mißtrauisch blieb M. davor stehen. Klingelte das Telefon? Nein. Na dann rufe ich eben einfach mal an, dachte M. Er betrat die Zelle und wählte. "Hier Insel-Sekretariat. Schröder. Bitte sehr?"

 

M. legte wieder auf. M. blickte auf die Uhr. Es war 10:20 AM. M. fuhr los. Bald hatte er die Ebene erreicht. Vor ihm lag die schnurgerade Straße, die ganz leicht mit Sand bedeckt war. Er gab Gas, richtig Gas. Der Wagen schoß nach vorn. Wie war das? In 6,8 Sekunden auf Hundert. Ja, diese Zahlen hatten auch für M. einmal eine Bedeutung gehabt. Eigentlich machte ihm das Rasen keinen Spaß. Mühsam vergnügte er sich mit der Tachoanzeige von 240 Km/h.

 

Da die Straße aber immer sandiger wurde, konnte er das hohe Tempo nicht lange durchhalten. Er begnügte sich deshalb mit 140 Km/h. M. konnte sich nun auch wieder die Außenwelt ansehen. Er sah rechts vom Weg ein leicht beschädigtes Werbeschild, auf dem nur stand: RED HOUSE. Ein Pfeil zeigte auf einige Wohnwagen und Wohn-Mobile, die einfach als eine Art Wagenburg in der Wüste standen. K. bremste, weil er sofort und fast zwanghaft ein kühles Bier dachte.

 

Seit er auf der Insel war, schien er oft an Essen und Trinken zu denken, egal. M. fuhr von der Straße herunter auf den Parkplatz der inmitten der Wohnwagen-Burg lag. Er konnte jetzt sehen, daß RED HOUSE von einem hohen Zaum begrenzt war. Zwischen den Wohnwagen standen einige Palmen, sogar ein kleiner künstlicher See war vorhanden. Er parkte seinen Wagen zwischen ca. 20 Autos. Er ging an den Wohnwagen vorbei zum großen Wohnmobil in der Mitte der Anlage.

 

An den Wohnwagen standen große Schilder mit Mädchennamen und dazugehörigen Fotos etwas zu leicht bekleideter Damen. Langsam wurde ihm klar, wo er gelandet war. Er betrat das riesige Wohnmobil. Angenehme Kühle empfing ihn, eine Klimaanlage summte leise. An einem Tisch saßen einige Männer und spielten Poker, andere vergnügten sich beim Black Jack. M. stellte sich an einen "einarmigen Banditen" und warf einen Dollar ein.

 

Eine junge Person erschien und fragte, was er trinken wolle. Als er zu ihr schaute, bemerkte er, daß die Bekleidung der Wüstenschönheit nur aus einem knappen Höschen und einer Armbanduhr bestand. M. bestellte ein Bier. Er blickte der wegwackelnden Bedienung hinterher und bekam so nicht mit, daß er 100 Dollar aus dem Spielautomaten gewonnen hatte.

 

Er häufte die Dollar vor sich auf. Die Serviererin erschien wieder, hielt leider eine Tragetasche und das Bier ungünstig vor sich. Gemeinheit, dachte M. Er bekam das Bier und den Rat: "Packen Sie die Gewinne in die Tasche. Viel Spaß im RED HOUSE", dann entschwand sie wackelnd. M. wußte nicht so recht, wie das mit der Tasche gemeint war, die 100 Dollar konnte er gerade noch mit den Händen tragen. Als er den nächsten Dollar einwarf und 50 Dollar gewann und anschließend mit dem weiteren Dollar nochmals 50 Dollar, begriff er endlich.

 

An den Tischen saßen die Männer und hatten auch alle stramm gefüllte Tragetaschen neben sich zu stehen. Beim Black Jack gewann fast nie die Bank. Ab und zu stand ein Mann auf und brachte das gewonnene Geld hinaus ins Auto. Einen Spieler erkannte M. wieder von einem früheren Inselaufenthalt. M. hatte genug vom Zwangsgewinnen, er trank das Bier aus, ließ die Tasche stehen und ging zur Tür. Diesmal kam die Serviererin erfreulich unverdeckt auf ihn zu, "Ich habe vergessen, ihnen unsere Kataloge zu zeigen.

 

Wollen sie den Damen- oder den Herrenkatalog sehen?" M. begriff nicht sofort. Sie hackte ihn unter, wobei sein Arm sehr weich zu ruhen kam und führte ihn zur Theke. Sie legte ihm die Kataloge vor. M. blickte in den ersten. Seitenweise konnte er junge Herren im Adam-Kostüm betrachten. M. klappte den Katalog zu. Die Serviererin wartete. M. schlug den anderen Katalog auf, hier waren junge Damen im Eva-Kostüm abgebildet. M. klappte auch diesen Katalog zu. "Welche Nummer wählen sie?" fragte die Bedienung geschäftsmäßig. M. dankte und ging. Neben seinem Wagen stand eine der "Damen" und begann ihre Vorzüge aufzuzählen.

 

Ein Besuch in ihrem Wohnwagen wäre auch kostenfrei. Sie erläuterte fachkompetent den Katalog ihrer Fertigkeiten. Heroisch dankte M., lehnte ab und stieg in den Turbo. Er fuhr wieder auf die Straße, RED HOUSE mit seinen vielen Inselbesuchern verschwand im Dunst. Eine Zeit lang litt M. noch unter gewissen optischen Scheinwahrnehmungen, die meistens in Gestalt der Serviererin vor der Windschutzscheibe auftauchten. Rechts vor ihm wurde der Boden langsam gleißend weiß. Er fuhr jetzt in die eigentliche Salzwüste. Die Straße ging in eine Sandpiste über, die nur durch ein paar Tonnen gekennzeichnet war.

 

Nach einer halben Stunde Fahrt war auch die Piste verschwunden. Eine mörderische Hitze war zu spüren. Augenblick, dachte M., wir sind hier in den Vereinigten Staaten. Hier hat doch ein richtiges Auto Air-Condition. Er fand den Hebel. Bald wurde die Hitze erträglicher. Er fuhr seit einiger Zeit auf hartem, glattem Salz. Er entdeckte einige Tonband-Cassetten. Er legte eine Cassette mit der Beschriftung "Tangerine Dream" ein.

 

Die Stereoanlage war beeindruckend, die Synthesizer-Passagen paßten gut. Am Horizont konnte M. eine Berg-Kette sehen, die aber die Gipfel unten hatte. Das Bild flimmerte stark. Die Luftspiegelung verschwand bald wieder. M. brachte den Wagen zum Stehen und griff sich eine Flasche Mineralwasser. Es erfrischte ihn. Er hielt an und betrachtete die Landkarte. Hieraus war zu entnehmen, daß er sich nirgends befand. Die Straße auf der Karte hörte ebenfalls einfach auf.

 

Allerdings war auf der Karte ein Punkt vermerkt: Fiction-Springs. Was war denn das? Der Punkt mußte gerade vor ihm liegen. M. blickte auf die Uhr. Merkwürdig, seit er durch die Wüste gefahren war, verging die Zeit kaum. Es war erst 11:00 AM. Er war doch aber bestimmt schon drei Stunden in der Wüste. Auch seine Armbanduhr zeigte 11:00 Uhr an. M. fuhr weiter. Jetzt war um ihn herum nur eine spiegelnde, wabernde Fläche.

 

Der Benzintank stand schon auf Reserve. Die Sonne stand deutlich tiefer am Horizont. M. nahm sich einige Sandwiches aus der Box und trank etwas. Er fuhr immer geradeaus. Als der Motor begann auszusetzen, füllte M. einen Reserve-Kanister nach. Außerhalb des Turbos war die Luft kochend heiß. Schnell stieg er wieder ein. Weiter ging die Fahrt. Nach einiger Zeit verspürte M. den Wunsch, seinen Weg mehr nach rechts zu richten. Er tat das. Er war jetzt schätzungsweise weitere drei Stunden gefahren. Die Uhren zeigten aber 11:05 AM. Es wurde langsam dunkel.

 

Die Sonne stand knapp über dem Horizont. Unverdrossen steuerte M. den Wagen weiter. Er bog noch mehr nach rechts ab. Als die Sonne untergegangen war wurde es schnell dunkel. M. mußte die Scheinwerfer einschalten. Die Temperatur sank merklich. Er konnte die Klimaanlage abschalten. Jetzt in der Dunkelheit war eine Orientierung nicht mehr möglich. Er hielt deshalb an, um hier die Nacht zu verbringen. M. stieg aus und vertrat sich etwas die Beine.

 

M. blickte sich um. Die Erde war fast völlig dunkel, der Übergang zum diesigen Himmel war kaum zu erkennen. Die weite dunkle Landschaft wirkte kalt und fremd. Er konnte weitentfernt plötzlich einen Lichtschein sehen. Jetzt war der Schein wieder weg. Der Lichtstrahl kehrte aber periodisch wieder und strich über das Land. Was mochte das sein?

 

M. hatte den Eindruck, der Lichtstrahl würde zu einem Leuchtturm gehören. Hier in der Wüste? Neugierig geworden fuhr M. langsam dem Licht entgegen. Tatsächlich gehörte das Licht zu einem Leuchtturm, der auf einem Berg stand. Der Berg war ca. 400 Meter hoch und fast vollständig mit Tannen bewachsen. Direkt auf dem Gipfel stand der Leuchtturm. Er war aus Ziegeln gebaut und rot-weiß angestrichen.

 

Das Dreh-Licht war weiß und kehrte alle 20 Sekunden wieder. Etwas unterhalb des Gipfels, dort wo der Tannenwald anfing sich nach unten zu erstrecken, stand ein Gebäude in dem auch Licht brannte. Als M. nahe genug herangefahren war, erkannte er, daß fast unten, am Fuß des Berges, aus dem Wald ein Quellbach hervortrat. Dieser Bach füllte einen Graben mit Wasser, der sich fast um den Berg herumzog.

 

Auch außerhalb dieser Umgrenzung versorgte der dann weitergehende Bach ein Waldstück. Weiter hinten verlor sich der Bach im Sand. M. parkte den Wagen am Rand des Grabens. Er konnte nun eine Seilhängebrücke erkennen. Auf der gegenüberliegenden Seite leuchtete eine kleine Laterne. M. griff die beiden Seile der Hängebrücke und hangelte sich, vorsichtig auf die Bodenbretter tretend, nach drüben. Auf der anderen Seite angekommen bemerkte M. die laue frische Luft. Er hörte vom Berg herab leise, ihm vertraute Musik. Das war doch eine Symphonie von Sibelius. Der Aufstieg war nicht beschwerlich.

 

Der Weg stieg sanft empor. Über ihm kreiste weiter das helle Licht. Der Strahl reichte bis in weite Ferne. Das Licht schaffte eine beruhigende Atmosphäre. Je höher er aufstieg, desto klarer wurde die Sicht auf die Wüstenebene. Nach einiger Zeit erreichte er das Gebäude. Auf einem Schild über dem Eingang stand: Fiction-Falls-Hotel. Die Tür war verschlossen. Oben in der 2. Etage des Holzhauses brannte Licht.

 

Er drückte auf die Klingel. Nach einiger Zeit hörte er aus der Rufanlage eine Stimme: "Sind Sie es, Herr M.? Ich hatte noch nicht mit Ihnen gerechnet. Warten Sie, ich mache auf." Der Summer ertönte. M. trat ein und ging in die 2. Etage. Die Dielen knarrten beim Treppensteigen. "Kommen Sie hier herein. Ich bin gleich fertig." M. betrat einen großen Raum. Der Raum war an den Wänden mit Regalen begrenzt, in denen sich nach grober Schätzung von M. ungefähr 20000 Bücher befanden. Vor einem riesigen Fenster, das den Blick auf den Berghang und die Ebene freigab, stand ein Schreibtisch.

 

Vor dem Schreibtisch saß ein Mann und tippte auf einer Computer-Tastatur. " Ich bin gleich fertig. Einen Augenblick bitte. Sehen Sie sich in der Zwischenzeit ruhig um." M. ging die Regale entlang. M. mußte seinen Blick von der Aussicht auf die Wüstenebene abwenden, obwohl der Anblick des Nachthimmels beeindruckend war. Die Bibliothek war gut bestückt.

 

Alle Sachgebiete, auch viel Belletristik, waren vertreten. Bei dem Bereich Erzählungen blieb M. stehen. Er griff sich einen dünnen Band heraus mit dem Titel ‚Ein Wochenende auf der Insel‘. Die sind natürlich nicht alle von mir geschrieben. Aber ein paar sind es doch.", wandte sich der Mann an ihn. "So, ich bin jetzt fertig mit meinem Kapitel. Ich bin Schriftsteller. Ich will Sie auch nicht lange aufhalten. Sie müssen ja heute Abend noch zurück. Und jetzt ist es ja schon 11:15 AM." M. blickte automatisch auf seine Uhr.

 

Tatsächlich, seine Uhr zeigte ebenfalls 11:15 Uhr. "Setzen Sie sich doch“, meinte sein Gastgeber, "ich freue mich, Sie bei Ihrem derzeitigen Aufenthalt auf der Insel mal persönlich zu sehen. Wissen sie, ich muß wohl etwas ausholen. Aber keine Angst, es dauert nicht lange. Ich drehe aber vorher mal das Radio leiser." Die Symphonie von Sibelius wurde zur Hintergrundmusik. M. bemerkte erst jetzt das Radio, das auf einem kleinen Tisch stand. Es war ein altes Grundig-Radio aus den fünfziger Jahren.

 

Ein Plattenspieler stand daneben. M. kannte dieses Radio. Es war ein „4010“, also ein Hochleistungsradio. Er hatte bei sich zu Hause ebenfalls dieses Gerät immer noch fast täglich in Betrieb. Ein schöner kräftiger Sound, erzeugt mit einer kräftigen Endröhre EL12. Der Mann fuhr fort: " Ich habe Ihre Personal-Zeit relativ geändert, damit Sie noch den Nachmittag vor sich haben. Ich habe hier selten Besuch von Gästen der Insel. Sie sind seit 8 Jahren der Erste. Aber das macht nichts. Es ist so, daß man hier nur herfindet, wenn man einige präzise Wünsche formulieren kann und etwas flexibel dabei ist.

 

In der Wüste wären Sie aber beinahe falsch gefahren. Da habe ich ein wenig nachgeholfen. Ich bin auf der Insel nämlich der Ober-Wünscher, sozusagen. Ha, ha." M. konnte nicht anders, als den Mann zu unterbrechen: "Aber warum wollten Sie mich sehen? Wer sind Sie?" "Ach so", sagte der Mann darauf, "ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Das verlernt man bei den seltenen Besuchen. Also: Ich bin der Erfinder der Insel. Mein Name ist Me.

 

Sie können hier nur Ihren Wünschen nachgehen, weil ich auf die Idee mit der Erzählung gekommen bin. Es macht mir nun Riesenspaß zuzusehen, welche Ideen mir kommen. Schließlich sind Sie ja auch meine Idee, meine Erfindung. Ach ja, Sie wollten wissen, was ich von Ihnen will. Das ist so, von Ihnen will ich nichts. Sie können sich schon allein helfen. Schließlich habe ich Sie erfunden und Sie mich! Ha, ha! Das war ein toller Satz, aber er stimmt. Nein, mir ging es darum, den Leser, der Sie ja begleitet, zu erwischen.

 

Ich wollte diesem Leser klar machen, daß es doch ganz schön ist, wenn man es wagt, seinen immer vorhandenen Einfällen, Ideen und Wünschen zumindest gedanklich zu folgen. Leider haben sich die meisten Menschen dieses Denken abgewöhnt oder es wurde ihnen abgewöhnt. Was lernen wir daraus? Spinnen, phantasieren und wünschen kann Vergnügen bereiten. So, das war es schon. Jeder sollte einmal ein Wochenende auf der Insel erfinden. Nun sind Sie wieder dran." M. überlegte.

 

Die Thesen seines Erfinders waren ihm nicht fremd. Dazu konnte er nur Zustimmendes sagen. Aber er wollte sehen, wieweit der Gastgeber selbst flexibel war. M. griff in die Tasche und holte blitzschnell den Löscher hervor. Er drückte auf den Knopf. M. verschwand sofort. Me. stand hinter seinem Schreibtisch. Hatte der verrückte Kerl es doch versucht. Er hatte bei M. damit gerechnet. Na egal. Me. ging zum Telefon und rief beim Inselsekretariat an. "Sagen Sie, Herr Schröder, wie lange hat Silvia Lanke Aufenthaltsrecht? So, 3 Wochen also.

 

Geben Sie mir doch bitte die Anschrift und Telefon-Nummer aus Berlin von Ihr. Danke. Übrigens, es ist jetzt 11:30 AM. Schröder, ich bin heute Nachmittag nicht mehr zu erreichen. Ja, aufwiederhören." Me. legte auf und blickte aus dem Fenster. Ganz fair war das ja nicht, den Insel-Erfinder wegzulöschen.

 

Nun legte er die Insel-Regeln fest. Also hatte er sich fest vorgenommen, wenn er wieder in Berlin war, Silvia mal anzurufen. Me. ging runter. Er verließ das Haus. Jetzt stand die Mittagssonne am Himmel. Er blickte sich um. Der Leuchtturm hatte seinen Betrieb eingestellt, es war wieder taghell. Auf der einen Seite des Berges zog sich bis zum Horizont die Wüste hin.

 

Auf der anderen Seite erkannte Me. eine grüne Graslandschaft, die sich in der Ferne verlor. Der Berg selbst hatte einige kleine Ausläufer, die er in der Nacht nicht bemerkt hatte, die sich aber hinter dem Wassergraben hinzogen. An verschiedenen Stellen waren unterschiedliche Bepflanzungen zu sehen. Es gab Pappeln, Lärchen, Eichen, Buchen und weiter unten am Wasser Schwarzerlen.

 

Nicht weit vom Hotelgebäude war ein recht großes Gewächshaus am Berghang zu erkennen. Drinnen schien sich eine Tropenlandschaft zu befinden. Das Hotel selbst war für Gäste geschlossen, wie ein Schild neben dem Eingang verkündete. Me. stieg den Berg hinab und überquerte die Hängebrücke. Sein Turbo war natürlich nicht mehr da.

 

Das Drücken der Löschtaste durch M. hatte umfassend gewirkt. Me. ging auf die Grasfläche zu. Zuerst war das Gras teilweise vertrocknet und spärlich. Es wurde aber kräftiger und dichter. Er ging auf eine Stelle im Gras zu, wo ein glänzender Metallgegenstand schimmerte. Me. blickte sich um. Der Berg lag mit seinem Wald friedlich da. Sollte er den Berg löschen? Wieso eigentlich?

 

Er machte doch die Vorschriften. Aber ein paar Regeln mußten bestehen bleiben, schon für die anderen Gäste war das wichtig. Me. drückte also auf den Löscher. Er drehte sich schnell weg. Der Berg und der Turm und das Hotel hatten ihm gefallen. Me. wanderte weiter auf die Stelle zu, wo er den Gegenstand gesehen hatte. Vorher traf er auf das Ufer des Baches, der am Berg entsprang. Der Bach verlor sich tatsächlich in der Graslandschaft.

 

Die Pflanzen saugten einfach das Wasser in sich auf. Wieso, fragte sich Me., ist der Bach noch da, wenn der Berg gelöscht war? Er drehte sich um. Der Berg und der Turm und das Hotel waren ebenfalls noch da. Hatte er doch schon die Regeln geändert? Er bedauerte bestimmt nicht, daß Fiction Springs noch existierte. Er hatte die feste Absicht, hier wieder herzukommen. Me. erkannte beim Näherkommen, daß der Gegenstand sich zu einem einmotorigen Flugzeug entwickelte. Kurz danach erreichte er den Hochdecker, der mitten in einer saftigen Wiese stand.

 

Kapitel 6 . Sonntag nachmittag

 

Me. stand unschlüssig vor dem Flugzeug. Sollte er einfach weiter in das Grasland hineinlaufen oder mutig die Maschine besteigen und losfliegen? Er schaute auf die Uhr. Es war 12:15 Uhr. Er hatte also noch bis 18:00 Uhr Zeit. Er gab sich einen Ruck und stieg in das Flugzeug. Es war Platz für vier Personen, zwei vorn und zwei hinten, vorhanden. Me. betrachtete die Instrumente. Dann startete er den Motor, stellte das Gemisch fett ein und ließ den Motor warm werden. Me. korrigierte die Trimmung.

 

Da draußen kein Wind wehte, war es egal, in welche Richtung er losfliegen würde. Er rollte die Maschine aus der Richtung des Berges weg und gab dann Vollgas. Das Flugzeug nahm zügig Fahrt auf und wollte sich bald vom Boden lösen. Me. hielt die Maschine noch am Boden. Dann zog er den Steuerknüppel an und hob ab. Das Flugzeug gewann Höhe. Er drehte eine Kurve und sah sich den Fiction-Springs-Berg an.

 

Dann nahm er Kurs nach SSO. Me. versuchte eine Höhe von 600 Feet einzuhalten. Er stellte das Gemisch auf Normal, änderte die Trimmung und machte es sich bequem. Vor Me. war das Land mit einer durchgehenden Grasnarbe bedeckt. Das Land war jetzt nicht mehr flach, sondern leichte Bodenwellen und Hügel erschienen. Das Gras wurde auch höher. Der Himmel über ihm war azurblau, einige Schönwetter-Wolken tauchten auf.

 

Das Grün des Graslandes war warm und kräftig. Der Motor brummte gleichmäßig, die Instrumente zeigten normale Werte an. Me. dachte daran, daß er ja jetzt, nachdem er die Rolle mit M. getauscht hatte oder umgekehrt, eigene neue Regeln für den Aufenthalt auf der Insel erstellen konnte. Bisher war es auf der Insel nur möglich, sich in der Gegenwart oder in der Vergangenheit zu bewegen. Wie wäre nun ein Herumreisen in der Zukunft zu sehen? Me. gewöhnte sich an den Gedanken.

 

Er nahm das Mikrofon des Funkgerätes, wählte die Frequenz 116,25 und rief:" Me. ruft Inselsekretariat". Die Antwort: "Hier Inselsekretariat. Wen möchten Sie sprechen?". Da Me. den Sekretär ein wenig ärgern wollte, schuf er schnell einen Vorgesetzten für ihn. Me. antwortete in das Funkgerät:" Ich möchte dem Insel-Verwalter etwas mitteilen". "Augenblick bitte“ hörte er die säuerliche Antwort vom Sekretär. Me. sah am Horizont rechts vor ihm einige höhere Berge auftauchen.

 

Er schwenkte und flog darauf zu. "Hier ist der Insel-Verwalter. Guten Tag, Herr Me.", klang es aus dem Lautsprecher. "Ich habe beschlossen, daß ab sofort die Wunschoptionen auf die Zukunft ausgedehnt werden können. Veranlassen Sie das bitte." "Danke, Ende." . "Ende", sagte auch Me. Me. sah unter sich eine Landschaft, die jetzt abwechslungsreicher wurde. Hügel wechselten sich mit flachen Teilen ab. Einige der Hügel konnten schon als Berge bezeichnet werden. Me. mußte höher steigen und flog trotzdem oft in einem Tal entlang. Der Bewuchs war nach wie vor ausschließlich Gras. Allerdings erreichte das Gras an verschiedenen Stellen ca. 1 - 2 Meter. Er konnte keine Flüsse oder Bäche entdecken, allerdings tauchten nun vereinzelte Seen auf, deren Ufer mit Schilf bewachsen waren. An und auf den Seen waren kleine weiße Punkte zu entdecken.

 

Me. zog die Maschine runter und erkannte dort Schwäne, die sich nicht erschreckten, als er näher kam. Me. konnte keine Wege, Straßen oder Ansiedlungen entdecken. Andere Tiere gab es auch nicht zu beobachten. Er stieg wieder höher und flog nun über den Bergen einfach geradeaus. Weiterhin überflog er Grasland mit Bergen. Ein größerer See tauchte vor ihm auf. An seinem Ufer konnte Me. die ersten Bäume entdecken. Es waren große, alte Weiden, die teilweise im Wasser standen. Der See ging in eine Sumpflandschaft über. Überall konnte man Schilf sehen und die Weiden, die sich langsam zu einem lockeren Wald formierten.

 

Me. stieg mit der Maschine etwas höher, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen. Das Land unter ihm bestand aus vielen Seen, die teilweise durch Flüsse verbunden waren und weiten Schilf- und Grasflächen, unterbrochen von Weidenbäumen. Das Blau des Wassers und des Himmels und das Grün der Pflanzen bestimmten den Anblick. Aus den vielen Seen und Flüssen bildete sich mit der Zeit ein Strom, der teilweise zwei km breit wurde. Me. flog am Ufer dieses Stromes entlang. Einmal brach der Strom an einer Kante mehrere 10 Meter ab und stürzte in einem Wasserfall herab. Riesige Gischt- und Wasserdampfwolken erhoben sich über dem Wasserfall.

 

Der Wasserfall schien Bestandteil einer Landverwerfung zu sein, die sich bis zum Horizont hinzog. Es sah aus, als wenn die Erdkruste hier aufgebrochen wäre. Me. flog weiter. Plötzlich änderte das Land vor ihm grundsätzlich seinen Charakter. Der Pflanzenbewuchs verschwand völlig. Eine öde Sandfläche tauchte auf, nur unterbrochen vom Strom, der mitten durch die leere Fläche floß. Me. stieg auf 2000 Feet. Er konnte nun erkennen, daß die Öde kreisförmig war und einen ungefähren Durchmesser von 20 Km hatte. Teilweise waren einige Strukturen zu erkennen, die Me. aber nicht deuten konnte. Er flog weiter.

 

Der Treibstoff war halb verbraucht. Hinter der freien Fläche gewann bald das Gras, das Schilf und die Weidenbäume wieder die Oberhand. Die Borduhr zeigte 2:00 PM. Er konzentrierte sich auf das langsam voraus schon recht gewaltig anwachsende Bergmassiv. Me. flog direkt auf das Bergmassiv zu. Die Landschaft unter ihm änderte sich jetzt deutlicher. An verschiedenen Stellen erreichte das Schilf ca. drei Meter. Aber es tauchten jetzt unter ihm zuerst Tannen, Fichten und Laubbäume auf. Bald flog er über einen dichten Wald hinweg.

 

Das Bergmassiv dominierte nun die Landschaft. Es war nicht zu erkennen, was hinter den Bergen lag. Es blieb ihm nichts weiter übrig, als den Bergsattel zu überfliegen. Er stellte die Trimmung nach und verstellte das Gemisch. Me. gab Gas und die Maschine begann kräftig zu steigen. Der Bergsattel war nicht bis ganz oben bewachsen, es tauchte nackter Fels auf. Als die Maschine den Berg überflog, zeigte der Höhenmesser 8500 Feet an. Me. erschrak fast über den Anblick, der sich ihm bot. Das Bergmassiv formte sich zu einem fast vollkommenen Oval.

 

Nur auf der anderen Seite des Tales war an einer Stelle das Ringgebirge wenig ausgeprägt. Das Tal selbst hatte an seiner größten Ausdehnung eine Länge von ca. 70 Km. Fast in der Mitte des Tals lag ein großer See. Daneben Wiesen, Wald und Getreidefelder. Der See mündete in einem Bach, der sich in Richtung zum niedrigen Teil des Ringgebirges weiterschlängelte. Auch ein Weg war zu erkennen. Er führte von einem kleinen Ort am Berghang den Bach entlang, zu einem etwas größeren Ort, weiter hinten im Tal. Me. zog die Maschine in das Tal hinunter.

 

Er konnte jetzt auf den Feldern einige Menschen erkennen, die zu ihm hochblickten. Me. tauchte mit dem Flugzeug noch weiter. Er wollte erst einmal landen. Dazu suchte Me. sich eine Wiese aus, auf der einige Kühe und Schafe weideten. Die Maschine setzte auf und rollte aus. Me. schaltete den Motor aus. Die folgende Ruhe war nach dem langen Flug ungewohnt. Me. stieg aus der Maschine und setzte sich einfach in das Gras. Nach einiger Zeit sah er einen Mann auf einem fahrradähnlichen Gefährt herankommen.

 

Das Fahrzeug war ein Fahrrad mit drei Rädern, auf dem zwei Personen nebeneinander sitzen konnten. Es mußte auch einen Elektroantrieb haben, denn es war ein leises Geräusch zu hören. Der Mann stieg ab und sah ihn an. Me. sagte: "Guten Tag. Ich hoffe, ich störe hier nicht. Mein Name ist Me." Der Andere schaute ihn eine Weile an und ging dann um das Flugzeug herum. Dann griff er vom Gepäckteil seines Fahrrades einen Kasten und sprach hinein: "Es ist so, wie wir vermutet haben. Er kommt tatsächlich aus der Vergangenheit. Muß aus der Zeit davor sein. Das Flugzeug ist wohl eine Piper. Ich werde ihn begrüßen und dann mitbringen."

 

Der Mann kam auf ihn zu. "Willkommen bei uns in den Bergen. Du darfst leider nicht bleiben, aber sei unser Gast. Mein Name ist Wano. Wenn Du willst, fahren wir jetzt zu den Anderen. Der Maschine passiert nichts." Me. bedankte sich und dachte über die eben gehörten Begriffe "Vergangenheit" und "Zeit davor" nach, während sie mit dem Rad losfuhren. Wenn es etwas bergauf ging, mußten beide ein wenig mit treten. Me. wurde sich über die Bedeutung der Begriffe langsam klar. Es war vielleicht doch ein Fehler gewesen, in die Zukunft zu fliegen.

 

Sie fuhren zu dem kleinen Ort am Hang des Gebirges. Dort saßen schon einige Menschen auf dem zentralen Platz auf Bänken. Die ca. 20 Häuser bestanden aus Lehm mit Holz oder ganz aus Felssteinen. Immer mehr Menschen kamen von den Feldern, Frauen, Männer, alt und jung. Me. wurde in ihre Mitte geführt und dort dann von einer Frau nochmals begrüßt. Sie forderte ihn auf, doch mal seine Uhr genauer zu betrachten. Die Uhr zeigte 3:30 PM. Was sollte das? Aber dann begriff er, was gemeint war. Er aktivierte die Funktion TIME SET. Da stand es dann: 12.AUG.2086. Er war also 100 Jahre in die Zukunft gereist, auf den Tag genau.

 

Da die Menschen anscheinend genau über ihn und seine Zeit Bescheid wußten, fragte er: "Es hat also einen Krieg gegeben? Ich will gar nicht wissen, wann das war. Als ich vorhin hierher flog, ahnte ich schon, was los ist. Es gibt da leere Stellen in der Landschaft. Der Rest ist menschenleer. Es gibt nur wenige Tiere, es ist alles irgendwie friedlich." Eine andere Frau meldete sich: "Ja, es hat den Krieg gegeben. Wir sind hier, wo früher Oregon war. Es sieht fast überall auf der Welt so aus. Wir haben Funkkontakt mit Neuseeland und ein paar Stationen in Australien.

 

Ach ja, in den Alpen gibt es auch noch Funkstationen, auch in Asien." Me. mußte das erst mal verdauen. Diese Gefahr hatten seine Zeitgenossen zwar täglich spüren können, aber die wenigsten erkannten wohl, daß das alles kein Spiel war. Mehr oder weniger alle waren doch der Meinung, Abschreckung schützt. Er wollte wenigstens wissen, wie es passiert ist. "Ja", sagte ein Mann, "es geschah aus Versehen. In einer der unterirdischen Zentralen gab es einen Erdstoß, alle Verbindungen rissen ab, die Computer spielten verrückt. Dann ging es los. Wir schätzen, daß es auf der Welt noch ca. 2000000 Menschen gibt.

 

Wir haben Funkkontakt zu ungefähr 25000 Menschen. Die Entfernungen zwischen uns sind aber so groß, daß ein direkter Kontakt kaum möglich ist. Wir wollen auch gar nicht, sonst gibt es wieder Ärger." Me. bekam eine Melone gereicht, sie schmeckte herrlich. Dann fragte er, "aber warum seid Ihr verschont geblieben?". "Ja, das war so. Das Tal lag damals gerade während der Explosionen günstig. Durch die hohen Berge wurde der Fallout weitestgehend abgehalten. Unsere Vorfahren konnten Jahrzehnte nicht aus dem Tal heraus. Wir könnten das jetzt zwar wieder kurzfristig machen, aber wir wollen nicht. Wir wollen nicht wieder diese Welt mit unseren Fähigkeiten beglücken. Hier im Tal können wir gut leben. Wir sind hier 5238 Menschen."

 

Das Funkgerät meldete sich: "Wano, melde dich bitte, hier ist M. Wie wäre es, wenn du mit Me. nach Black Rock kommen würdest? Wir könnten dann hier plaudern." Wano nickte Me. zu. Sie verabschiedeten sich von den Anwesenden. Die winkten ihm zu. Wano setzte einen neuen Akku am Fahrrad ein. Dann fuhren sie los. Die Fahrt ging immer am Bach lang. Nach einiger Zeit kamen sie an einem Stausee des Baches vorbei. Me. konnte eine kleine Stromerzeugung sehen. Am Rande des Tals gab es auch einige wenige, wie Fabriken und Werkstätten aussehende Gebäude. Wano erklärte: "Wir können die für uns notwendigen Dinge hier durchaus herstellen. Aber wir erzeugen nur, was wir brauchen. Dadurch versauen wir nicht wieder unsere begrenzte Umwelt.

 

Wir haben auch drei Schulen und ein Krankenhaus und ein Kulturzentrum. Geld, Arbeitnehmer, Arbeitgeber und einen Staat, wie bei euch damals, gibt es auch nicht. Du siehst, wir sind gut über eure Zeit informiert." Wano fügte hinzu, "weißt Du, eigentlich tut Ihr mir leid. Ihr müßt ganz schön oberflächlich und stumpf durch das Leben gegangen sein. Habt Ihr denn nicht gemerkt, was Ihr mit der Erde anstellt? Es gab doch auch bei euch das Wort "Umweltschutz". Es gab doch Warnungen genug. Hiroshima, Nagasaki, Harrisburg und Chernobyl. Habt Ihr da einfach die Realität verdrängt?". Me. konnte nicht antworten. Sie kamen in Black Rock an, dem Hauptort des Tales. Es war eine schöne Stadt in einem schönen Tal. Die Menschen gefielen Me.

 

Er konnte hier frei atmen. Die Leute kannten keinen falschen Ehrgeiz. Sie hatten alles kapiert, was ihm noch Schwierigkeiten machte. Die Informationen über die Vergangenheit, also über seine Zukunft waren so schwerwiegend, daß Me. überhaupt nicht den Versuch machte, sich vorzustellen, wie die damaligen Menschen, Tiere und Pflanzen milliardenfach umgekommen sind. Hier galt wieder: Der Tod eines Menschen, eines Tieres und einer Pflanze konnte betroffen machen, aber in der Menge war die Katastrophe nicht richtig gedanklich nachvollziehbar. Wano lenkte das Fahrrad an ein kleines Fachwerkhaus.

 

Aus dem Fenster blickt M. auf Wano und Me. herunter. "Kommt herauf. Es gibt Wein vom Südhang." Wano und Me. betraten das Haus, gingen die Stiege hinauf und setzten sich. Jeder nahm einen Schluck von dem Rotwein. Me. fühlte sich etwas unsicher. Er wußte nicht, wie M. reagieren würde. M. sagte zu Me.: "Die Vergangenheit und die Gegenwart und die Zukunft treffen sich hier und vermischen sich. Ich habe diesen Ort geschaffen, um selbst eine Perspektive zu haben. Hier kann man leben.

 

Ich kehre oft hierher zurück und lerne auch von den Menschen im Tal und von mir. Wenn sie wollen, tauschen wir uns wieder aus, ich verspreche auch, daß zukünftig der gleiche Ort auf der Insel mehrmals besucht werden kann. Das mit der Zukunft als Wunschmöglichkeit, war eine gute Idee." Me. war einverstanden. M. griff den Löscher und drückte drauf. Nichts Sichtbares passierte. Nur war M. wieder M. und Me. wieder Me.

 

Beide Wunschwelten trafen sich in diesem Tal. M. erkannte natürlich, daß der Wunsch nach einer heilen Welt dazu führen konnte, sich mit den Realitäten abzufinden, also die Flucht in die Phantasie anzutreten. Ihm war unwohl dabei. Er äußerte den Gedanken. Wano meinte, "Das stimmt schon, aber der Wunsch nach der heilen Welt zeigt zumindest, wer sich danach sehnt, hat erkannt: Es stimmt etwas nicht in seinem Leben oder mit der Zeit, in der er lebt. Viele merken noch nicht einmal das." Me. sagte zu M.: "Ich glaube, es wird Zeit für Sie, Herr M., wieder zur Inselverwaltung zurückzukommen. Es ist 17:46 Uhr. Wir sehen uns ja hier wieder." M. verabschiedete sich von beiden. Er ging auf die Straße und fuhr mit dem Rad auf den Berg zu, der dem Ort seinen Namen gab.

 

Am Fuß des Berges sah er auch schon den Stolleneingang, der zu einem Erzbergwerk führte. M. stellte das Rad ab und blickte sich dann noch einmal um. Das ganze Tal war zu übersehen. Er stand einige Minute dort und blickte sich um. Dann ging er in den Tunnel. Im Pförtnerhaus im Tunnel saß Herr Schröder und als er M. kommen sah, sprang er auf und betätigte die Zugbrücken-Öffnungsvorrichtung. "Kommen Sie bald wieder, Herr M.", rief er M. noch hinterher. M. stellte zufrieden fest, daß der Insel-Sekretär nicht nachtragend war.

 

M. kam aus dem Tunnel der Inselburg hervor. Draußen standen schon einige Inselgäste und warteten auf die Fähre nach Tegel. Die Fähre kam bald. Nachdem alle Gäste an Bord gegangen waren, legte das Schiff ab. Die Insel versank langsam im Dunst. Die Berliner Havelseen tauchten auf. Auf der Rückfahrt sprach niemand miteinander. Jeder verarbeitete seine individuellen Erlebnisse. Einige machten wohl schon Pläne für den nächsten Aufenthalt auf der Insel. Der Bootsmann kam zu ihm, um den Fahrschein zu lochen.

 

M. fragte den Mann, "waren Sie schon einmal auf der Insel?" "Um Gottes Willen, das ist doch nur was für Spinner, Oh, nein so habe ich das nicht gemeint." M. mußte lachen. "Sie haben schon ganz recht", sagte er. Der Bootsmann ging schnell weiter. Um diese Zeit war nur noch wenig Bootsverkehr auf dem Tegeler See. M war froh, daß er die Telefon-Nummer von Silvia nicht vergessen hatte. Langsam wurde die Uferpromenade größer. M. bereitete sich gedanklich auf die kommende Arbeitswoche vor.

 

 

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