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Aus den Lebenserinnerungen des Kammersängers Professor Albert Fischer

 

 

Schaut her, ich bin's -

Abschnitt aus den Lebenserinnerungen von Kammersänger Professor Albert Fischer (geboren 26. Juli 1878 in Aue; gestorben 6. Juni 1948 in Sondershausen) - Familienarchiv Fischer/Liebich (Reinhold Liebich/Düsseldorf).

Vielen Dank für die Überlassung an Annette vom Hagen.

 

vox1.jpgErste deutsche Rundfunkübertragung (1923) Aufgeregt kam eines Tages ein Schüler zum Unterricht. Nicht schnell genug konnte er mir seine Neuigkeit erzählen. "Professorchen," sprudelte er los, "denken Sie bloß mal an, ich habe zu Hause etwas ganz Großartiges zusammengebastelt. Ich habe ein kleines Kästel, an dem Schrauben und Draht dran sind. Wenn ich diesen Draht in eine Steckdose bringe und Ihnen zwei Telefonmuscheln an die Ohren halte, können Sie hören, was in Honolulu für Musik gemacht wird!" Zunächst glaubte ich, er sei übergeschnappt, jedenfalls tippte ich sacht mit dem Zeigefinger an meine Schläfe und erklärte ihm: "Hänschen, das erzähle mal deiner Oma, die glaubt es dir vielleicht, ich aber nicht! Ne, ne, so was gibt es nicht!"

 

Fast beschwörend flehte er mich an: "Meister, es ist wirklich so, Sie können es mir glauben! Darf ich heute abend mit meinem Kästel mal zu Ihnen kommen?" Ich wollte ihm die Freude nicht nehmen und forderte ihn auf, zu kommen. Tatsächlich erschien er mit seinem Kästel. Voller Eifer steckte er den Draht in die Steckdose, legte mir zwei Hörer an die Horchlappen und drehte wie wild an den Schrauben. Ich aber hörte nichts weiter als "Huiiii" und "Hiiiuuuu". Herzhaft lachte ich darüber und erklärte: "Weißt du, Hans, wirklich großartige Musik machen die ja in Honolulu, höre es dir nur mal selbst an." Er nahm die Kopfhörer und geriet vor Ärger reineweg aus dem Häuschen. Alles Herumbasteln half nichts, es kamen keine anderen Töne.

 

Verstört ging er zwei Stunden später wieder heim, nachdem er mir fest versichert hatte, dass es am Nachmittag ganz bestimmt noch geklappt hätte. Mit seiner Erfindung war es also nichts, wie sollte man denn durch ein einfaches Holzkästel und zwei Ohrmuscheln Musik hören, die in ganz anderen Städten gemacht wurde. Nein, so etwas gab es ganz einfach nicht.

 

Sechs Wochen später rief mich der Direktor der Vox-Gesellschaft an und fragte, ob ich bereit wäre, zu ihm ins Vox-Haus zu kommen, die Gründe dafür könne er allerdings nicht am Telefon sagen; Noten möchte ich jedoch mitbringen. Wenn ußerdem noch drei meiner besten Schüler mitkämen, würde er es sehr begrüßen. Ich sagte zu und vereinbarte Tag und Stunde. Neugierig, was da wohl los sein würde, zottelte ich mit drei Schüler in die Potsdamer Straße ins alte Vox-Haus. Dort erfuhr ich vom Direktor ganz im Geheimen, dass Sendeversuche gemacht werden sollten, für die ich, anschließend eventuell meine Schüler, etwas singen sollten. Sendeversuche, was hieß das nur? Auf meine Frage wurde mir erklärt, dass ich in einen Schallüberträger singen müßte, der durch ein Kabel mit Strom verbunden sei.

 

Durch Schaltungen würde auf diese Weise der Welt mein Gesang übermittelt. Mit dem "Vierten ernsten Gesang" von Brahms "Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete..." ferner mit den beiden Loewe-Balladen "Friedericus Rex" und "Tom der Reimer" wurden durch mich in Berlin erste Rundfunkversuche gemacht. Unter welchen unsäglich primitiven Verhältnissen zu damaliger Zeit im Sender gearbeitet wurde, ist heute kaum noch vorstellbar. In einem kleinen Raum, dessen Decke und Wände ganz mit in Falten gelegtem Stoff bespannt waren, womit man akustisch das Problem zu lösen versuchte, sang ich in ein festgemauertes Mikrofon. Einige Wochen später wurde das erste Oratorium gesandt.

 

In demselben kleinen Raum gruppierten sich um das Mikrofon das Orchester, der Chor und wir Solisten. Um jedwede Störung von außen zu vermeiden, hatte man Fenster und Türen dicht verkleidet, dadurch wurde die Luftzufuhr völlig abgeschnitten. Bei einer Temperatur von fast 40 Grad war die erste Oratoriensendung erfolgt. An die Mitwirkenden stellte man geradezu unheimliche Anforderungen. Damit das Mikrofon meinen Ton einfing, musste ich zum Beispiel kniend mit halb verbogenem Oberkörper meinen Kopf schräg haltend, meine Arien singen. Von links fuchtelte mir der Geiger mit seinem Fiedelbogen in meiner Lockenparade herum und rechts wurde ich an der Schulter festgehalten, damit ich bei dieser wackeligen Stellung nicht das Gleichgewicht verlor.

 

Unter diesen Voraussetzungen konnte ich eigentlich mit Recht sagen, dass ich nicht nur als Sänger, sondern auch als "Akrobat" im Rundfunk tätig war. Trotz der großen Anstrengungen ging ich aber glücklich in dem Bewusstsein heim, mit einer der Ersten in Deutschland zu sein, der da Töne durch einen Draht in die Welt gesandt hatte. Nun konnte Hänschen mit seinem Kästel kommen, jetzt glaubte ich ihm, dass er vielleicht Honolulu hören könne.

 

 

 

 

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28.01.2012

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